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rückt mm zum Entsätze heran. Fünf Kanonenschüsse geben das Zeichen
zur Schlacht. Jeder Hohlweg, jeder Schutthaufen wird von den Türken
mit aller Todesverachtung vertheidigt; die Polen auf dem linken Flügel,
Herzog Karl auf dem rechten, drängen unaufhaltsam vor, die von neuem
begeisterten Muth ergriffenen Wiener brechen ans ihren Mauern hervor;
— aber noch immer schwankt der Sieg, denn Kara Mustapha wüthet wie
ein Verzweifelter, daß ihm die sichere Beute entrissen werden soll, er laßt
in seine eigenen weichenden Schaarcn einhauen, zugleich aber auch von den
gefangenen Christen, die als Sklaven fortgeführt werden sollten, 30,000
niedermetzeln. Aber der christlichen Tapferkeit vermögen die Moslems nicht
zu widerstehen, um 6 Uhr Abends ist der Sieg entschieden, die Türken
stürzen in wilder Flucht davon, nach Raab zu, ihr ganzes Lager mit allen
seinen Schätzen den Siegern überlassend. Dreihundcrtfiebcnzig Kanonen,
die Kriegskasse mit mehr als zwei Millionen Thalern und das prächtige
Zelt des Großwessirs, allein zu 400,000 Thaler geschätzt, fällt den froh¬
lockenden Siegern in die Hände.
Innige Gebete des Dankes sendet das erlöste Volk zum Himmel.
Die Namen Johann Sobieöky, Karl von Lothringen und Rüdiger von
Stahrembcrg sind in Aller Munde und sie leben noch fort in der dank¬
baren 'Nachwelt. Nach zwei Tagen kam der Kaiser Leopold von Linz zurück,
aber das Volk schaucte nicht auf ihn, sondern auf den edlen Sobieskh von
Polen. — Die Nachricht von dem Entsätze Wiens war Ludwig XIV. so
empfindlich, daß er sich drei Tage lang eingeschlossen haben fall. Er
hatte die Türken mit Geld, mit Offizieren, Ingenieurs unterstützt, ihnen
auch einen Belagerungsplan für Wien ausarbeiten lassen und so sicher
auf die Eroberung der Hauptstadt gerechnet, daß er schon der Zeit ent¬
gegen sah, in welcher das geängstigte Deutschland seine Hände nach ihm
ausstreckte. Dann wollte er Vermittler sein und so seinem Sohne den
Weg zu der langersehnten Kaiserkrone bahnen. Alle diese glänzenden Aus¬
sichten waren nun mit einem Male zerstört.
7. Prinz Eugen, der tapfere Ritter.
Wiederum hatte Ludwig XIV. seine Raubkriege begonnen, von den
Niederlanden und dem deutschen Reiche Läuderstücke abgerissen, die Rhein¬
provinzen schrecklich verwüstet; die französische Habgier hatte sogar der
Todten nicht geschont und mehrere silberne Särge ans dem Dome zu
Speier geraubt. Gegen das verbündete Holland, England, Spanien und
Oesterreich hatten Lndwig's Feldherren Siege auf Siege erfochten. Da,
als Lndwig's Größe und Stolz auf dem Gipfel stand, war auch sein Fall
am nächsten. Ein Franzose von Geburt sollte die Unbill, welche Kaiser
und Reich von dem französischen Tyrannen erlitten hatten, rächen.
Eugen war der jüngste von fünf Söhnen des Eugen Moritz, Titular-
grafen von Soisscns, aus einer Seitenlinie der Herzöge von Savoyen,
und wurde 1663 zu Paris geboren. Wegen seines schwächlichen Körpers
ward der Kleine zum geistlichen Stande bestimmt, lernte auch früh mit