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Die von Menschen erfüllte Schottenkirche war schwarz ausgeschlagew und
der Namenszug Hahdn's war an den Säulen angebracht. Während der
Messe wurde Mozart's Requiem aufgeführt. Hahdn's Leichnam ruht auf
dem Gottesacker vor der Hundsthurmer Linie in Wien. — Als seine be¬
sten Schüler Pflegte er selbst Plehel, Neukomm und Nessel zu rühmen.
Beethoven hatte nur kurze Zeit bei ihm Unterricht und brach sich bald
eine neue, ganz eigenthümliche Bahn.
Es ist ein eigener Zufall, daß die größten Tonkünstler der Welt,
Hahdn, Mozart, Beethoven, in unmittelbar auf einander folgender
Lebensperiode während fünfzig Jahren alle drei in Wien lebten und auf
einander einwirkend die Kunst rasch bis auf den höchsten Gipfel führten.
Im Jahre 1814 ließ Neukomm aus Dankbarkeit gegen seinen Lehrer über
dessen Grabstätte einen Leichenstein mit der goldenen Jnschrist setzen:
„Non omnis moriar.“ (Ich werde nicht ganz sterben.)
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Hahdn's unerschöpfliches Genie hat sich in allen Gattungen der
Musik hervorgethan; aber alle seine Werke, deren Zahl sich auf 1400 be¬
läuft, athmen den Hauch der Schönheit und Anmuth. Jedes seiner Stücke
ist ein abgerundetes Ganze und trägt das Gepräge des Genius aus jeder
Seite. Seine Symphonien sind Meisterwerke voll Wahrheit und Natur;
es paart sich in ihnen südlicher Wohllaut mit deutscher Kraft. Ucberall
sprachen dem Künstler die Dinge zum Herzen und erweckten ihm Gedanken,
die er musikalisch ausdrückte. Wollte er einen Gedanken zur musikalischen
Darstellung bringen, so setzte er sich gewöhnlich erst an das Pianoforte
und phantasirte so lange, bis der Gedanke zum Gefühl verdichtet wurde,
oder sich zur geeigneten Tonform ausbildete. Wie ist in den Oratorien
Alles so tief und lebendig erfaßt und wiederum so einfach und klar dar¬
gestellt, daß Jeder meint, so würde er cs selber ausgedrückt haben! Ein
Kritiker sagt schön von Hahdn's Kompositionen:
„Der Ausdruck eines heiteren kindlichen Gemüths herrscht in allen
Werken Hahdn's. Seine Symphonien führen uns in unabsehbare grüne
Haine, in ein lustiges buntes Gewühl glücklicher Menschen; Jünglinge und
Mädchen schweben in Reihentänzen an uns vorüber; lachende Kinder, hinter
Bäumen und Rosenbüschen versteckt, werfen sich neckend mit Blumen. Es
ist ein Leben voll Liebe und Seligkeit, wie vor der Sünde in ewiger
Jugend!"
Man hat sehr passend das Verhältniß von Hahdn, Mozart und
Beethoven also bezeichnet: Hahdn erbauete ein schönes, liebliches Garten¬
haus, Mozart schuf das Gebäude zu einem prächtigen Palaste um und
Beethoven setzte einen hohen Thurm darauf. — Heil aber dem Volk, das
solche Komponisten sein nennen darf!