68
studirte er fleißig weiter und ward im Jahre 1505 zum NaZister artium
(Doktor der Philosophie) erhoben. So sehr ihn der Fackelzug und die
ganze Feier erfreute, so richteten sich doch seine Gedanken immer mehr auf
den Zustand seiner Seele und das Eine, was ihm Noth that, Vergebung
der Sünden und Versöhnung mit Gott, konnte er in der Philosophie und
in den alten Klassikern nicht finden. Da geschah es, daß sein Herzens¬
freund Alexis plötzlich von Mördern überfallen und erstochen wurde, und
nicht lange nachher, daß bei einem Gewitter ganz nahe bei ihm der Blitz
in die Erde fuhr und sein Leben wunderbar gerettet wurde. Da beschloß
er, sein ganzes Leben nur Gott und seinem Dienst zu weihen, der Welt zu
entsagen und in einem Kloster den Frieden der Seele zu suchen.
Nachdem er alle seine Universitätsfreunde zu einem fröhlichen Mahle
eingeladen hatte, wobei die Musik das trauliche Beisammensein erheiterte,
verkündete er seinen Freunden den bis dahin geheim gehaltenen Entschluß.
Vergebens suchten ihn diese zurückzuhalten; noch am selben Abend verließ
er sein Zimmer, ließ alle Sachen und Bücher zurück und nur den Virgil
und Plautus nahm er mit. So ging er im nächtlichen Dunkel hin zum
Augustiner-Kloster — es war am 17. August 1505 — klopfte an die
Pforte und begehrte Einlaß. Das Thor öffnete sich und schloß sich wieder
hinter ihm; der gefeierte Universitäts - Lehrer war ein armer Augustiner-
Mönch geworden, ohne Wissen und Willen seines Vaters.
2. Wie es ihm im Kloster ergeht.
Im Kloster fand Luther nicht die Ruhe des Herzens, nach der ihn
so sehnlich verlangte. Während seines Probejahrs wurden ihm die aller¬
drückendsten Geschäfte aufgebürdet. Er mußte die Kirche ausfegen, die
Thüren auf- und zuschließen, die Thurmuhr aufziehen, die Unreinigkeiten
des Klosters austragen, ja sogar mit dem Bettelsacke in Erfurt umher¬
wandern. Das war ihm um so empfindlicher, da Jedermann den Magister
kannte und nicht selten die Leute mit Fingern auf ihn zeigten. Aber Luther
ertrug Alles in Demuth und Furcht Gottes. Seine größte Freude war,
daß im Kloster auch eine lateinische Bibel war und daß er in der heiligen
Schrift alle Tage lesen durfte. Die Mönche sagten ihm freilich: Nicht
mit Studiren, sondern mit Betteln sollst du dem Kloster nützlich werden!
Und als er Profeß that und die Kappe anzog, nahmen ihm seine Kloster¬
brüder die Bibel wieder. Weil er aber Tag und Nacht im Kloster betete
und studirte, und sich dabei mit Fasten und Kasteien abmergelte, so war er
stets betrübt und all' sein Messelesen wollte ihm keinen Trost geben. Wie
aber Gott Denen, die ihn mit redlichem Herzen suchen, sich nicht uube-
zeuget läßt, so ließ er ihn fromme Männer finden, die ihn trösteten, wenn
er vor Angst vergehen wollte. So schickte ihm Gott einen alten Kloster¬
bruder zum Beichtvater, der wies ihn hin auf Gottes gnädige Vergebung
der Sünden. Dieser Zuspruch machte einen tiefen, wundersamen Eindruck
auf sein Gemüth. Auch der ehrwürdige Johannes von Staupitz,