Full text: Lesebuch für unterfränkische Fortbildungsschulen

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Von den Verrichtungen, die die Pflegerin in ärztlichem Aufträge vor¬ 
zunehmen hat, erfordern insbesondere die kalten Umschläge und das Auflegen 
von Eisbeuteln einige Geschicklichkeit. Als Eisbeutel verwendet man Blasen, 
die aus undurchlässigem Stoff, am besten aus Gummi, gefertigt sind und wohl 
verschlossen werden können.' Zu ihrer Füllung braucht, man Haselnuß- bis 
walnußgroße Eisstückchen, die man sich in der Weise herstellt, daß man ein 
in ein Tuch gewickeltes größeres Stück Eis durch Hammerschläge zerkleinert. 
Der Eisbeutel ist auf die vom Arzt bezeichnete Hautstelle möglichst breit 
aufzulegen. Er muß in ein leinenes Tuch eingehüllt werden, damit der Stoff 
durch seine Feuchtigkeit dem Kranken nicht lästig wird. Wo es an einem 
Eisbeutel fehlt, versucht man ihn durch kalte Umschläge zu ersetzen. Man 
bringt ein mehrfach zusammengelegtes Taschen- oder Handtuch auf ein Stück 
Eis oder in möglichst kaltes Wasser, drückt es nach einiger Zeit kräftig aus 
und bedeckt damit die zu kühlende Körperstelle. Da ein solcher Umschlag 
auf der Haut sich rasch erwärmt, muß er oft gewechselt werden. 
Bezüglich der Krankenkost hat sich die Pflegerin vor allem genau an die 
Vorschriften des behandelnden Arztes zu halten. Selbst eine Lieblingsspeise 
muß in vielen Fällen verweigert und das von Besuchen Mitgebrachte dem 
Kranken oftmals entzogen werden. Der Kranke genießt in der Regel äußerst 
wenig; dies muß aber sorgfältig zubereitet sein und soll dem Leidenden in 
gefälliger Form geboten werden, weil das Außere oft den Appetit reizt. 
Die Arbeit der Wärterin erstreckt sich aber nicht nur auf die Pflege des 
Körpers sondern auch auf das geistige Behagen des Kranken. Äußere Ruhe 
der Pflegerin, die sich keine Sorge, keine ernstliche Befürchtung merken läßt, 
ist unbedingt nötig. Ruhig höre die Pflegerin die oft endlosen Klagen des 
Leidenden an, der sich erleichtert fühlt, wenn er sich ausgesprochen hat; sie 
habe stets ein tröstendes oder aufmunterndes Wort bereit und suche den 
Kranken von seinen Schmerzen abzulenken, indem sie ihm erzählt oder 
vorliest, mit ihm betet und ihm so sein Weh auf einige Zeit vergessen macht. 
Merkt die Wärterin, daß der Leidende ermüdet, so halte sie mit dem Lesen rc. 
inne, entferne etwaige Besuche und lasse den Kranken ungestört ruhen; denn 
der Schlaf ist oft die beste Arznei. 
Ist der Kranke auf dem Wege der Genesung, so muß man doppelte 
Vorsicht walten lassen; denn ein Versäumnis hierin macht die Krankheit oft 
rückfällig und dann in der Regel schlimmer als zuvor. Die ersten Spazier¬ 
gänge unternehme man nur bei günstiger Witterung und mit Genehmigung 
des Arztes und dehne sie nicht zu weit aus. Man sorge für eine angenehme, 
zerstreuende und erheiternde Unterhaltung, damit mit dem körperlichen'das 
geistige Behagen und die Lebenslust des Genesenden wiederkehre. 
Leider gelingt es der ärztlichen Kunst und der sorgfältigsten Pflege nicht 
immer den Kranken zur Genesung zu bringen. Man versäume in diesem 
Falle nicht den Kranken rechtzeitig darauf aufmerksam zu machen, daß der 
Seelsorger herbeigerufen werde.
	        
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