Full text: Lesebuch für unterfränkische Fortbildungsschulen

130 
(Jiner jedoch bewahrt Würde und Ernst: der Oberknecht. Der Bauer gibt 
seinen Tagesbefehl nur an ihn und er mit seinen Leuten vollzieht ihn. 
Er führt sein Volk zum und vom Acker, zum und vom Tisch. Er ruft um 
3 Uhr morgens mit seinem dröhnenden „Auf!" seine sämtlichen Leute aus 
den Federn. Um 4 Uhr steht er am Acker; da läutet die Gebetglocke den 
Tag an. Dann fahren die Erntesicheln zischend in die Ähren. Und nun 
ein ameisenartiges Regen und Schaffen! Der Oberknecht schneidet im Eil¬ 
schritte voraus und die andern müssen ihm alle nach wie eine wohlgefügte 
Schlachtordnung. 
Punkt 8 und 3 Uhr erdröhnt in den Feldbreiten die Stimme des Ober¬ 
knechtes: „Zum Brot!" denn ebenso pünktlich ist auch der Hausbote da mit 
einem mächtigen Kruge Bier und einem nicht kleinen Laib Brot. Der 
Knecht schneidet Scheiben vom Brotlaib, welche die andern emsig in 
die Schüssel brocken. Das gibt einen beliebten und kräftigend nahrhaften 
Schmaus. 
Steigt die Sonne immer höher und klebt den Schnittern die Zunge 
am ausgetrockneten Gaumen, so erscheinen die „Wasserbuben". Da radell 
soeben einer vom Hof heraus in das Feld, das „Wasserlagl" auf seinem 
Zweiradkarren. Ist das Füßchen hinuntergegluckt in die heißen Kehlen, so 
läuft er fort und kommt hurtig wieder mit einem frischen Lagel, vom Schnitter¬ 
volke stets freudig begrüßt und belobt. Sengt die Erntesonne recht bren¬ 
nend herab, dann mischt die Bäuerin etwas Essig in den Brunnenquell. 
Das gibt einen köstlichen Labetrunk von der einen Brotzeit zu der andern. 
Den letzten Ahrenbüschel berührt nach der Jnlandssitte keine Ernte¬ 
sichel mehr; er bleibt stehen; weibliche Hände flechten Feldblumen drein und 
winden buntfarbige Bändchen herum. Nun sendet das Schnittervolk ein 
Dankgebet zu Gott; dann aber umschlingen sich die Paare und tanzen um 
die geschmückten letzten Ähren einen fröhlichen Feldreigen. 
Ist das Getreide unter Sichel und Sense gefallen, so beginnt ein anderes 
wichtiges Erntegeschäft: das Einfahren. Drei aufgeleiterte Wägen stehen im 
Hofe, an jedem zwei markige, schneidige Gäule; und nun hinaus in das Feld! 
Der Ober- und der Anderknecht geben die Weizengarben und Gerstenbüschel 
auf. Das geht hurtig und wie am Schnürchen auch ohne Bauer; aber er 
greift auch selbst zu, namentlich bei unbeständiger Sonne. 
Die vier Scheunentore stehen flügelweit offen. Die Ablader harren im 
Speicherviertel und mit ihnen der Ochs, der „treten" muß. Das erste 
Weizen- und Gerstenfuder fährt der Bauer eigenhändig vom Feld in die 
Scheune und besprengt sie mit einigen Tropfen geweihten Wassers, damit der 
Himmel, wie er die goldene Frucht auf der Flur geschont, sie auch behüten 
möge vor Wirbelsturm, Feuer und Speicherwurm. 
Ein eigenartiges Schauspiel ist es, zuzuschauen wie der „Gersten¬ 
stock" emporwächst. Von den Abladern erklimmt immer abwechselnd ein 
anderer die Fuhre, um die Gerste vom Wagen in das Viertel zu gabeln; 
die übrigen greifen danach und werfen sie auseinander; der Ochs aber, ge-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.