Full text: Lesebuch für unterfränkische Fortbildungsschulen

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Stimme eines dicken Fleischers: „Vier Mark!" — „Also vier Mark zum ersten!' 
rief der Auktionator mißmutig. In diesem Augenblick riß sich der schon seit 
einigen Minuten unruhig schnüffelnde Voll von Fritz los und sprang wie be- 
seffen freudig bellend vors Haus und zum offen stehenden Fenster herein rief 
eine starke Baßstimme: „40 Mark zum ersten!" 
Einen Augenblick darauf trat ein von der Eile ganz erhitzter Mann mit 
sonnenverbranntem Gesichte hastig ins Zimmer, begleitet vom wedelnden Voll, 
und wiederholte mit Donnerstimme: „400 Mark zum andern-, zum dritten- 
und letztenmal!" und schlug mit seinem spanischen Rohre dergestalt auf den 
Tisch, daß des Auktionators Papiere umherflogen und dieser wie die ganze 
Menge zusammenschrak. 
„Herr Gott, unser Jansen!" rief Hermann und fiel ihm um den Hals; 
der aber fuhr fort: „Ja, ich bin's, unser Schiff liegt voll Waren, worunter 
auch Goldbarren sind, im Hafen. Aus ist die Auktion! Nur fort ihr alle!" 
Dabei schwenkte er das Rohr über den Köpfen hin. „Morgen kommt aufs 
Rathaus, da soll alles samt Interessen bezahlt werden; denn wissen sollt ihr: 
unser alter Herrgott lebt noch, unser gutes Haus steht noch und die Firma 
Hermann Gruit van Steen blüht noch! Und nun seid erst freudig gegrüßt 
in der Heimat, mein Herr Hermann und Frau Elisabeth, von eurem alten 
Jansen!" Karl Barth. 
18. Wie der Weisensepp gestorben ist. 
In meinem Vaterhause fand sich das „Leben Christi". Täglich las 
ich unsern Hausleuten daraus vor. Den jungen Knechten und Mägden gefiel 
der neue Brauch just nicht; denn sie durften dabei nicht scherzen und nicht 
jodeln; die älteren Hausgenossen aber, die schon etwas gottesfürchtiger waren, 
hörten mir mit Andacht zu. „Und das ist," sagten sie, „als wie wenn der 
Pfarrer predigen tät'; so bedeutsames Ausführen und so eine laute Stimm'!" 
Ich kam in den Ruf eines tüchtigen Vorlesers und wurde ein gesuchter 
Mann. Wenn irgendwo in der Nachbarschaft jemand krank lag oder zum 
Sterben, oder wenn er schon gestorben war, so daß man an seiner Leiche 
zur Nacht die Totenwache hielt, so wurde ich von meinem Vater aus- 
gebeten, daß ich hinginge und lese. Da nahm ich das gewichtige „Leben- 
Christi-Buch" unter den Arm und ging. Es war ein hartes Tragen und 
ich war dazumal ein kleinwinziger Knirps. 
Einmal spät abends, als ich schon in meiner kühlen und frischduftenden 
Futterkammer schlief, in der ich zur Sommerszeit bisweilen das Nacht¬ 
lager" hatte, wurde ich durch ein Zupfen an der Decke von unserm Knecht 
geweckt. „Sollst fein geschwind aufstehen, Peter, sollst aufstehen! Der 
Meisensepp hat seine Tochter geschickt; er läßt bitten, du sollst zu ihm kommen 
und ihm was vorlesen; er wollt' sterben. Sollst aufstehen, Peter!" 
So stand ich auf und> zog mich eilends an. Dann nahm ich das 
Buch und ging mit dem Mädchen von unserm Hause auswärts über die 
Lesebuch für untersrünkische Fortbildungsschulen. 3
	        
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