Full text: Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands

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151. Aus Schiller’s Glocke. 
Wohlthätig ist des Feuers Macht, 
wenn sie der Mensch bezähmt, be¬ 
wacht, 
und was er bildet, was er schafft, 
das dankt er dieser Himmelskraft; 
doch furchtbar wird die Himmels¬ 
kraft, 
wenn sie der Fessel sich entrafft, 
einhertritt auf der eignen Spur, 
die freie Tochter der Natur. 
Wehe, wenn sie losgelassen, 
wachsend ohne Widerstand, 
durch die volkbelebten Gassen 
wälzt den ungeheuren Brand ! 
Denn die Elemente hassen 
das Gebild’ der Menschenhand. 
Aus der Wolke 
quillt der Segen, 
strömt der Regen; 
aus der Wolke, ohne Wahl, 
zuckt der Strahl. 
Hört ihr’s wimmern hoch vom 
Thurm? 
Das ist Sturm! 
Roth, wie Blut, 
ist der Himmel, 
das ist nicht des Tages Glut! 
Welch Getümmel 
Straszen auf! 
Dampf wallt auf! 
Flackernd steigt die Feuersäule, 
durch der Strasze lange Zeile 
wächst es fort mit Windeseile. 
Kochend, wie aus Ofens Rachen, 
glüh’n die Lüfte, Balken krachen, 
Pfosten stürzen, Fenster klirren, 
Kinder jammern, Mütter irren, 
Thiere wimmern 
unter Trümmern. 
Alles rennet, rettet, flüchtet, 
taghell ist die Nacht gelichtet. 
Durch der Hände lange Kette 
um die Wette 
fliegt der Eimer, hoch im Bogen 
spritzen Quellen Wasserwogen. 
Heulend kommt der Sturm geflogen, 
der die Flamme brausend sucht. 
Prasselnd in die dürre Frucht 
fällt sie, in des Speichers Räume, 
in der Sparren dürre Bäume, 
und als wollte sie im Wehen 
mit sich fort der Erde Wucht 
reiszen in gewalt’ger Flucht, 
wächst sie in des Himmels Höhen 
riesengrosz; 
hoffnungslos 
weicht der Mensch der Götterstärke, 
mtissig sieht er seine Werke 
und bewundernd untergehen. 
Leergebrannt 
ist die Stätte, 
wilder Stürme rauhes Bette. 
In den öden Fensterhöhlen 
wohnt das Grauen, 
und des Himmels Wolken schauen 
hoch hinein. 
Einen Blick 
nach dem Grabe 
seiner Habe 
sendet noch der Mensch zurück — 
greift fröhlich dann zum Wander¬ 
stabe. 
Was Feuers Wuth ihm auch geraubt, 
ein süszer Trost ist ihm geblieben: 
er zählt die Häupter seiner Lieben, 
und sieh’! ihm fehlt kein theures 
Haupt. 
152. Einmal ist keinmal. 
Einmal ist keinmal. Dies ist das erlogenste nnd schlimmste 
unter allen Sprichwörtern, und wer es gemacht hat, der war ein schlechter 
Rechenmeister oder ein boshafter. Einmal ist wenigstens einmal, und
	        
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