Full text: Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands

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Die Mutter aber war wohl auch in derselben Kammer, doch weiter 
vom Bett, um der Traurigkeit willen. Da sprach der Vater zu ihr: 
„Liebes Weib, bedenke doch, wo sie hinkommt; ihr ist ja wohl. Ich 
batte sie auch gern behalten; doch geschehe Gottes Wille." Und da 
das Kind in den Sarg gelegt ward, sah er cs an und sprach: „Du 
liebes Leuchen, wie wohl ist dir geschehen! Du wirst wieder aufer¬ 
stehen und leuchten wie ein Stern, ja wie die Sonne." 
192. Sprüche vom Tode. 
Heute roth, morgen todt. — Heute tret' ich auf den Stein; morgen 
deckt er mein Gebein. — Heute sind wir frisch und stark; morgen füllen 
wir den Sarg. — Lebe, wie du, wenn du stirbst, wünschen wirst gelebt zu 
haben. — Langes Leben, große Sünde; große Sünde, schwerer Tod! — 
Denk' an den Tod! — Die Seelen rosten. Kirchhofserde ist gute Reib- 
erdc. — Wer da stirbt, eh' er stirbt, der stirbt nicht, wenn er stirbt. — 
Der Tod ist gewiß, ungewiß der Tag: darum sich jeder bereiten mag. — 
Das Weltkind spricht: „Ich lebe und weiß nicht, wie lang'; ich sterbe 
und weiß nicht, wann; ich fahre und weiß nicht, wohin: mich wundcrt's, 
daß ich so fröhlich bin." Dagegen der Christ: „Ich lebe und weiß 
wohl, wie lang'; ich sterbe und weiß wohl, wann; ich fahre und weiß 
wohl, wohin: mich wundcrt's, daß ich noch traurig bin." 
193. Der Friedhof. 
1. Da liegst du still in deinem Frieden, 
du Land, wo jedem Lebensgast 
der Herr der Liebe hat beschieden 
die letzte süße Wanderrast; 
2. Wo aus dem Grab die Blumen 
sprießen, 
die frommer Treue Hand gepflegt, 
wo sanft der Liebe Thränen fließen, 
die ein Gebet zum Himmel trägt. 
3. Noch steh' ich vor des Lebens 
Mitte, 
und vor mir liegt die weite Bahn, 
noch geht zum Herren meine Bitte 
um Frist, bis ich mein Werk gethan. 
4. Noch ist das Leben mir ein Segen, 
noch trag' ich seine Lasten gern, 
noch treibt das Herz Mitlauten Schlägen 
mich in den Kampf für meinen Herrn. 
5. Doch wenn mir einst die Kräfte schwinden, 
ich krank und wund und todesmatt, 
dann bitt' ich: Vater, laß mich finden 
dort oben eine Ruhestatt. 
194. Schiller’s Glocke. 
Dem dunkeln Schosz der heil'gen und hofft, dasz sie entkeimen werde 
Erde zum Segen, nach des Himmels Rath. 
vertrauen wir der Hände That, Noch köstlicheren Samen bergen 
vertraut der Sä’mann seine .Saat wir trauernd in der Erde Schosz
	        
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