Dies neue Volksschullesebuch verdankt feilte Entstehung einzig und allein dem
wärmsten Interesse fiir Volksbildung überhaupt und insbesondere für die Volks¬
schule, in der die Herausgeber nächst dem Elternhause ihre erste Geistesbildung
empfangen und de? sie stets die aufmerksamste Theilnahme bewahrt haben; Form
und Gestalt aber hat es gewonnen durch unsere wohlbegründete selbständige Ueber¬
zeugung von dem, was der Schule und namentlich der Volksschule noththut. Dabei
sind wir uns der Größe des Wagnisses, mit so manchen guten Lesebüchern wetteifern
zu wollen, gar wohl bewußt; aber wir bieten anspruchslos das Beste, was wir
vermögen, und auf alle Fälle werden wir uns mit dem Bewußtsein, Gutes redlich
erstrebt zu haben, zu trösten wissen. Nur um eines bitten wir unsere Berufs¬
genossen von der Volksschule: daß man diese Gabe aus scheinbar unzünftiger Hand
ohne Vorurtheil prüfe. Mitgearbeitet haben daran viele der sachkundigsten Männer
des Landes: namentlich sind wir den Herren Seminardirertor Lange iuSege-
berg, Seminarlehrer Burgdorf in Eckernförde und Seminaroberlehrer
Richter in Tondern für ihre einsichtsvollen schriftlichen und mündlichen Rath¬
schläge zum lebhaftesten Danke verpflichtet.
Die Auswahl des Stoffes ist in poetischer, volkstümlicher und religiöser
Richtung nach strengen Grundsätzen getrosten worden. Unser Streben ist gewesen,
jedes Lebensgebiet in seiner Wahrheit zu erfassen und darzustellen, ohne alle
tendenziösen Nebenrücksichten, so z. B. ist das Leben unserer heidnischen Vorfahren
in seiner vollen Poesie unbefangen mit dem ihm zukommenden Lichte beleuchtet
worden; aber unbedingt ausgeschlossen ist alles, was mit der gesunden evangelisch-
christlichen Bildung, die das Ziel aller unserer Volksschulen wie Gymnasien sein
muß, irgendwie in Widerspruch zu stehen schien. Auf Grund dieses Princips sind
mit Vorliebe diejenigen Gebiete behandelt worden, die zur Erweckung und Stärkung
eines thatkräftigen vaterländischen Sinnes geeignet waren. Unter Vaterland
aber verstehen wir Deutschland, in welchem unser Preußen das repräsentiert, was
in der Organisation des Individuums der bewußte und feste Wille ist. Ausge¬
schlossen dagegen ist alle Mittheilung von bloß nützlichen Kenntnissen, die ohne
bildende Kraft sind: dies Buch zu einem Noth- und Hülfsbüchlein für allerlei
zu machen, verbot uns die ideale Richtung, die wir aus innerer Nothwendigkeit
einhalten. Denn wie sorgfältig wir uns auch gehütet haben, Stücke aufzunehmen,
die nicht ein tüchtiger Ibjähriger Knabe mit Hülfe des verständigen Lehrers zu be¬
wältigen vermöchte (das Kind soll eben die Freude des Könnens und Verstehens
fühlen), so wird doch nicht leicht ein Abschnitt sich finden, den nicht auch der Er¬
wachsene mit Vergnügen und Erbauung lesen würde. Nur durch diesen idealen
Zug des Gemeinverständlichen kann das Lesebuch ein Hausschatz und ein wahres
Volksbuch werden.
In der zweiten Abtheilung sind die Abschnitte aus der Geschichte von
Dr. H. Keck redigiert worden, oft mit wörtlicher Benutzung von Menzel, Kohlrausch,
G. Freytag, Riehl, E. Förster, Raumer u. a.; die geograph. Stücke hat
Ehr.Johansen, die aus der Naturkunde Dr. L. Meyn, die aus der schlcswig-holst.
Heimatskunde (dritte Abtheilung) Dr. A. Sach ausgewählt oder bearbeitet.
Wir haben darin weniges aus anderen Lesebüchern aufgenommen, denn wir hielten
cs für unsere wesentlichste Pflicht, in diesen Abtheilungen den Forderungen der Wissen¬
schaft gerecht zu werden. — Die provinziellen Abschnitte, welchedie hannöversche,
hessische und nassauische Heimatskunde (dritte Abtheilung) behandeln,
sind ohne unser Zuthun auf Anregung der Verlagshandlung resp. von den Herren
H. C. W. Bartholomäus in Hildesheim, C. Wagner in Cassel, und den
Herren I. Wickel und Stahl in Wiesbaden bearbeitet worden.
Das Princip der Anordnung der Lesestücke in der 1. Abtheilung ist aus
der Natur der Kindesseele, die Wechsel des Stosses und Fortschritt voin Leichteren
zum Schwierigeren verlangt, entnommen worden. Wenn von diesem Princip die
2. Abtheilung scheinbar abweicht, so ist das aus zwingenden Gründen geschehen: