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Kaufleute, die Werkstätten der Künstler und Handwerker, Edelhöfe, Pacht- und
Bauerhöfe wurden leer von jungen Männern. In Berlin allein ließen sich
neuntausend junge Leute in die Liste der Freiwilligen einschreiben. So un¬
widerstehlich war der Strom, der Alles mit sich fortriss, dass selbst beherzte
Frauen und Jungfrauen nicht abzuhalten waren, unter dem Jägermantel das
Geschlecht zu verbergen und sich den zum Schwertertänze ziehenden Schaaren
anzuschließen. Wem wäre jene Marie Prochaska von Potsdam, ein sanftes
Kind geliebter Eltern, unbekannt geblieben; — sie starb den Heldentod sür's
Vaterland. Auch jene edle Jungfrau in Schlesien ist mit Rührung ge¬
nannt, die, weil sie Anderes nicht zu geben hatte, sich ihr schönes Haar ab¬
schnitt und den Erlös dafür als Beitrag zur Ausrüstung der Freiwilligen, oder
zur Pflege der Verwundeten hingab. Die Zahl derer aber, welche Geldsummen,
zum Theil von hohem Belauf, oder Hab' und Gut, Ohr- und Fingerringe,
Kleider, Betten spendeten, oder auf ihre Kosten Freiwillige ausrüsteten, ist
Legion. — Als der König von solcher Begeisterung hörte, entrollten Thränen
seinen Augen. Nicht länger zauderte er, den schweren Kampf zu beginnen.
Der Kriegserklärung an Frankreich folgte am nächsten Tag, den
17. Mürz, der
Ausruf an mein Volk.
Darin heißt es: So wenig für mein Volk, als für alle Deutsche bedarf
es einer Rechenschaft über die Ursachen des Krieges, welcher jetzt beginnt.
Klar liegen sie dem unverblendeten Sinne vor Augen. Wir erlagen unter der
Uebermacht Frankreichs; der Friede schlug uns tiefere Wunden als selbst der
Krieg. Das Mark des Landes ward ausgesogen: der Ackerbau, sowie der
Kunstfleiß der Städte gelähmt; die Hauptfestungen blieben vom Feinde besetzt.
Uebermuth und Treulosigkeit vereitelten meine besten Absichten, und nur 311
deutlich sahen wir, dass Napoleons Verträge mehr noch, wie seine Kriege uns
langsam verderben mussten. Jetzt ist der Augenblick gekommen, wo alle Täu¬
schung aufhört. Brandenburger, Preußen, Pommern, Schlesier,
Litthauer! Ihr wifft, was euer trauriges Loos sein wird, wenn wir den
Kampf nicht ehrenvoll endigen. Große Opfer werden von Allen gefordert wer¬
den; denn unser Beginnen ist groß und nicht gering die Zahl und die Mittel
unserer Feinde. Aber welche Opfer auch gefordert werden, sie wiegen die heili¬
gen Güter nicht auf, für welche wir sie hingeben, für die wir streiten und sie¬
gen müssen, wenn wir nicht aufhören wollen, Preußen und Deutsche zu sein.
Es ist der letzte, entscheidende Kampf, den wir bestehen für unsere Existenz,
unsere Unabhängigkeit, unsern Wohlstand. Keinen andern Ausweg gibt es,
als einen ehrenvollen Frieden oder einen ruhmvollen Untergang, weil ehrlos
der Preuße und der Deutsche nicht zu leben vermag. Mit Zuversicht dürfen
wir vertrauen, Gott und ein fester Wille werden unserer Sache den Sieg ver¬
leihen, und mit ihm die Wiederkehr einer glücklichen Zeit." —
Zugleich wurde eine Verordnung wegen Errichtung der Landwehr im
ganzen Umfange des Reichs erlassen: „Mjt Gott für König und Vater¬
land" solle ihr schöner Wahlspruch sein. Mit demselben Wahlspruch hatte der
König am Geburtstage der Königin Luise, ant 10. März, den Orden des
eisernen Kreuz es als Auszeichnung für die Helden des Befreiungskrieges gestiftet.
„Der König rief, und Alle, Alle kamen!" ist das erhebende Gedenkwort
jener herrlichen Zeit geblieben. Ganz Preußen war wie eine große Werkstätte
des Kriegs; alle Kräfte regten sich in neuer Lust und Frische. Jünglinge, die