Full text: [Teil 4 = Kl. 5 u. 4] (Teil 4 = Kl. 5 u. 4)

Grundsatz. Der Widerstand eines Mädchens steigerte noch den Zorn des 
Königs. Aber er scheute sich doch, ihr Blut zu vergießen; darum ließ 
er sie in einem Felsengrabe einmauern, wo sie Hungers sterben sollte. 
Vergeblich flehte sein Sohn Hämon, dem Antigone verlobt war, um Gnade 
für die Geliebte. Erst der blinde Seher Tiresias brach durch seine dräuende 
Warnung vor der Strafe der erzürnten Götter den harten Sinn des 
Königs. Dieser eilte jetzt, Antigone zu befreien. Allein zu spät! In 
ihrer Verzweiflung hatte sich die Jungfrau bereits mit Hilfe ihres Schleiers 
erhängt, und Hämon, der in die Grabkammer eingedrungen war, durch¬ 
bohrte sich vor den Augen des herannahenden grausamen Vaters mit dem 
Schwerte. Von tiefstem Schmerze über den bitteren Verlust, den ihm fein 
Starrsinn bereitet, überwältigt, ging er nach Hause. Dort wartete feiner 
ein neuer Jammer: auch seine Gattin Eurydice, von Antigones und 
Hämons Ende schon benachrichtigt, hatte im Übermaß ihres Schmerzes 
sich selbst den Tod gegeben. Zu spät erkannte Kreon, daß der Starrsinn, 
mit dem er seinen Willen den ewigen Satzungen der Götter entgegen¬ 
gestellt, den Untergang seines Hauses herbeigeführt hatte. 
191. Die Hockzeit des peleus und der Cbetls. 
Von HuguTt Grube. 
Charakterbilder aus der Geschichte uud Sage. 1. Teil. 23. Ausl. Leipzig 1882. 8. 32. 
Hills Peleus, ein König in Thessalien, seine Vermählung mit der Meer- 
\\ göttin Thetis feierte, waren alle Götter und Göttinnen zum Feste 
eingeladen außer Eris, der Göttin der Zwietracht, weil man befürchtete, 
sie würde nach ihrer Gewohnheit Zank und Hader stiften und die Heiter¬ 
keit des Festes stören. Aus Ingrimm über diese Zurücksetzung sann sie 
aus Rache. Während sich alle Gäste der Freude des Festes hingaben, 
öffnete sie die Tür des Saales und ließ einen goldenen Apfel mit der 
Aufschrift: „Der Schönsten!" über den Fußboden hinrollen. Kaum aber 
hatten die Göttinnen den Apfel und seine Aufschrift gesehen, als sich 
ein lebhafter Streit erhob, wem der Apfel gebühre. Am meisten Ansprüche 
machte jedoch Hera, die Gemahlin des Zeus, dann Pallas Athene, die 
Göttin der Weisheit, und Aphrodite, die Göttin der Liebe. Da keine 
von ihnen nachgeben wollte, befahl Zeus, um allem Streit ein Ende zu 
machen, daß der Götterbote Hermes die streitenden Göttinnen zu einem 
durch seine Schönheit berühmten Prinzen führen solle, nämlich zu Paris, 
dem Sohne des trojanischen Königs Priamus; dieser möge als Schieds¬ 
richter ihren Streit schlichten. 
Der schöne Königssohn weidete gerade die Herden seines Vaters am 
Berge Jda, als die drei Göttinnen vor ihm erschienen und ihm die 
Ursache ihres Streites vortrugen. Eine jede suchte ihn durch Ver¬ 
sprechungen zu gewinnen. Hera verhieß ihm, wenn er sie für die Schönste
	        
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