Grundsatz. Der Widerstand eines Mädchens steigerte noch den Zorn des
Königs. Aber er scheute sich doch, ihr Blut zu vergießen; darum ließ
er sie in einem Felsengrabe einmauern, wo sie Hungers sterben sollte.
Vergeblich flehte sein Sohn Hämon, dem Antigone verlobt war, um Gnade
für die Geliebte. Erst der blinde Seher Tiresias brach durch seine dräuende
Warnung vor der Strafe der erzürnten Götter den harten Sinn des
Königs. Dieser eilte jetzt, Antigone zu befreien. Allein zu spät! In
ihrer Verzweiflung hatte sich die Jungfrau bereits mit Hilfe ihres Schleiers
erhängt, und Hämon, der in die Grabkammer eingedrungen war, durch¬
bohrte sich vor den Augen des herannahenden grausamen Vaters mit dem
Schwerte. Von tiefstem Schmerze über den bitteren Verlust, den ihm fein
Starrsinn bereitet, überwältigt, ging er nach Hause. Dort wartete feiner
ein neuer Jammer: auch seine Gattin Eurydice, von Antigones und
Hämons Ende schon benachrichtigt, hatte im Übermaß ihres Schmerzes
sich selbst den Tod gegeben. Zu spät erkannte Kreon, daß der Starrsinn,
mit dem er seinen Willen den ewigen Satzungen der Götter entgegen¬
gestellt, den Untergang seines Hauses herbeigeführt hatte.
191. Die Hockzeit des peleus und der Cbetls.
Von HuguTt Grube.
Charakterbilder aus der Geschichte uud Sage. 1. Teil. 23. Ausl. Leipzig 1882. 8. 32.
Hills Peleus, ein König in Thessalien, seine Vermählung mit der Meer-
\\ göttin Thetis feierte, waren alle Götter und Göttinnen zum Feste
eingeladen außer Eris, der Göttin der Zwietracht, weil man befürchtete,
sie würde nach ihrer Gewohnheit Zank und Hader stiften und die Heiter¬
keit des Festes stören. Aus Ingrimm über diese Zurücksetzung sann sie
aus Rache. Während sich alle Gäste der Freude des Festes hingaben,
öffnete sie die Tür des Saales und ließ einen goldenen Apfel mit der
Aufschrift: „Der Schönsten!" über den Fußboden hinrollen. Kaum aber
hatten die Göttinnen den Apfel und seine Aufschrift gesehen, als sich
ein lebhafter Streit erhob, wem der Apfel gebühre. Am meisten Ansprüche
machte jedoch Hera, die Gemahlin des Zeus, dann Pallas Athene, die
Göttin der Weisheit, und Aphrodite, die Göttin der Liebe. Da keine
von ihnen nachgeben wollte, befahl Zeus, um allem Streit ein Ende zu
machen, daß der Götterbote Hermes die streitenden Göttinnen zu einem
durch seine Schönheit berühmten Prinzen führen solle, nämlich zu Paris,
dem Sohne des trojanischen Königs Priamus; dieser möge als Schieds¬
richter ihren Streit schlichten.
Der schöne Königssohn weidete gerade die Herden seines Vaters am
Berge Jda, als die drei Göttinnen vor ihm erschienen und ihm die
Ursache ihres Streites vortrugen. Eine jede suchte ihn durch Ver¬
sprechungen zu gewinnen. Hera verhieß ihm, wenn er sie für die Schönste