Full text: Realienbuch (Teil 2, [Schülerbd.])

14?. Die Oberpfalz. 
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steigt gegen die Mitte und senkt sich dann wieder. Riesige 
Granitplatten bilden die Brüstung zu beiden Seiten. Wir 
erblicken das ehrwürdige Bauwerk noch in seiner ungefügen 
Eigenartigkeit, wie es von dem stolzen Welfen vollendet ward. 
Von der hohen Bedeutung und Achtung, die man der 
Brücke zollte, gibt Zeugnis, daß sie eigenes Vermögen, 
Wappen und Siegel besaß. Das erstere und das Ein¬ 
kommen, das der Brücke aus Gefällen, Gilten, Zinsen von 
Häusern und aus Strafgeldern zufloß, verwaltete ein eigener 
vom Rate bestellter Brückenmeister. Für Verkehr und Ver¬ 
halten auf derselben bestand eine eigene Ordnung. Unfug 
auf derselben wurde strenge bestraft, z. B. bloßes Zücken 
der Wehre mit dem Verluste der rechten Hand. Dichter, 
darunter Hans Sachs, sangen ihr Lob. 
Mit Ehrfurcht erfüllt uns bei ihrem Betreten der 
Gedanke, daß sie über 700 Jahre dem rastlos zerstörenden 
Zahn der Zeit, dem gewaltigen Anprall vernichtungdrohender 
Hochfluten und Eisgänge unentwegt widerstand. Mehr denn 
zwanzig Generationen ihrer Anwohner verkehrten unter 
wechselnden Geschicken über sie, und alle charakteristischen Züge 
und Gestalten in den großen geschichtlichen Ereignissen unsers 
bayerischen und deutschen Vaterlandes — von den rotbekreuzten 
Rittern und Reisigen des zweiten und dritten Kreuzzuges 
unter Kaiser Kourad III. und Friedrich Barbarossa bis zu den 
Grenadieren des kriegsgcwaltigen NapoleonI. in unserm Jahr¬ 
hundert — passierten ihre steinerne Bahn. 
Von den nach altem Wcrkgebrauche der Brücke einge¬ 
fügten Wahrzeichen sind noch viele erhalten: ein Hund ohne 
Kopf auf der Brüstung, geheimnisvolle Figuren, kämpfende 
Hähne, in einem Vrüstnngsstein eingemeißelt, und das sog. 
Brückenmännchen, das bedeutendste derselben. 
Dieses Brückenmünnchen ist ein nur um die Lenden 
gegürteter Jüngling (aus Sandstein), welcher rittlings auf 
dem Satteldüchleiu einer 4 m hohen Säule sitzt. Die rechte 
Hand hält er wie zum Schutze gegen die Sonne über den 
nach dem Dom gerichteten Augen. Die Sage machte das 
Brückenmünnchen zum Abbild des Brückenbaumeisters und 
erzählt, daß dieser mit dem Baumeister des Domes eine 
Wette eingegangen habe derzufolge jenem, welcher sein Werk 
zuerst vollenden würde, der andere zu einer besonderen Leibes¬ 
strafe verfallen fei. Mit Hilfe des Teufels wird die Brücke 
zuerst fertig, und in der Verzweiflung darüber stürzt sich der
	        
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