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führte. Mit großer Kühnheit sammelte er ein mächtiges Heer und ero¬
berte Jerusalem. Allein auch dieser letzte Freiheitskampf der Juden war
fruchtlos. Jerusalem wurde von den Römern wiedergenommen, Bar-
Chochba fiel auf der Flucht, und nach gräßlichem Blutvergießen und einem
entsetzlichen Kriege, der noch zwei Jahre hindurch dauerte, war die Ver¬
nichtung des jüdischen Staats vollendet, das Volk in alle Weltgegenden
zerstreut, Palästina, das schöne, fruchtbare Land , in eine Wüste verwan¬
delt. Das traurige Bild eines heimathlosen, entehrten, der demüthigend-
sten Bedrückung anheimgegebenen Volkes, zu welchem das waltende Schick¬
sal die Juden herabgestürzt hat, ist Jedem von uns vor Augen, und in
der poetischen Erfindung des „Ahasveros" liegt eine ergreifende Wahr¬
heit. Noch jetzt, in unserer modernsten Kultur, ist die Frage, ob dem ver¬
bannten Geschlechts die allgemeinen Menschen- und Bürgerrechte zuerkannt
werden sollen, nicht völlig entschieden, obschon zur Ehre und im Interesse
der Civilisation nur noch wenige Zweifel übrig find.
So endigte ein edles, reichbegabtes Volk, weil es seine Zeit nicht er¬
kannte. „An den Wassern Babylons saßen sie und weinten," so lautete
einst des Sängers Wort; seit achtzehnhundert Jahren aber rächt sich ihr
eigener Ruf: „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder," in stra¬
fender Vergeltung über ihrem Haupte.
Ihre Religion hat sich im Laufe der Zeit durch die Zusätze fanati¬
schem und verschrobener Rabbiner immer mehr von der reinen Lehre Moses
entfernt und mit finsterem Aberglauben versetzt. Die auf solche Weise her¬
beigeführte Ausbildung der jüdischen Glaubenslehren ist in dem jüdischen
Religionsbuche, Talmud genannt, verzeichnet, und die Aussprüche dessel¬
ben gelten einem großen Theile der Juden mehr, als die mosaischen Bü¬
cher. Die Zeit der Entstehung jenes Buches ist unbekannt; Einige setzen
sie in die Mitte des zweiten, Andere in den Anfang des dritten Jahrhun¬
derts nach Christi Geburt. Die Anhänger und Bekenner der talmudischen
Lehren heißen Talmudisten; sie sind als die ächten Nachkömmlinge der
alten Pharisäer zu betrachten und haben auch deren Priesterhaß und Prie¬
sterstolz angenommen. Wie es aber schon zu Jesu Zeit unter den Sad-
ducäern eine Partei gab, welche die Lehre des Moses zu erhalten suchte,
so bildete sich aus ihnen auch ein Gegensatz zu den Talmudisten in den
sogenannten Karaiten, welche, den finsteren Glauben der strengen Rab¬
biner verwerfend, sich an die mosaischen Schriften hielten und ihre Lehre
im Sinne des alten ächten Judenthums zu entwickeln suchten.
8. 5. Untergang von Herculanum und Pompeji.
Es ist wunderbar, daß der menschenfreundlichste aller Regenten, der
jeden Tag für verloren achtete, an dem er keine gute Handlung beging,