172. Italien. 201
mitten unter dem Getreide stehen, ohne dem Wachstume des¬
selben zu schaden.
Werinmitten dieses Paradieses von Italien grosse, schmucke
Dörfer erwartete, würde sich bei einer Reise dahin sehr ent¬
täuscht sehen. Dörfer findet man dort nicht, wohl aber viele
kleinere und grössere Städte. Von diesen sind zu nennen:
Venedig, auf 100 Inseln erbaut und von mehreren hundert
Kanälen durchschnitten, über welche gegen 450Brücken führen;
das schöne Mailand mit seinem berühmten Dome; Pavia;
die Festungen Mantua und Verona (das alte Bern), welche
mit Peschiera (spr.Pesskjära) und L egnano (spr. Lenjäno)
das berühmte „Festungsviereck“ bilden. Wohl kaum ein
anderer Landstrich Europas hat so viele Schlachtfelder auf¬
zuweisen, als die Lombardei.
An den Grenzen von Piémont erheben sich die höchsten
Gipfel der Alpen, der Mont Blanc und der Monte Rosa.
Turin am Po und das altberühmte Genua am gleichnamigen
Busen sind die wichtigsten Städte des Landes.
Das mittlere und südliche Italien durchziehen in
einer höheren und in mehreren niedrigeren Ketten die Apen¬
ninen, welche der Halbinsel den Namen gegeben haben.
Die am Fusse derselben entspringenden Flüsse, unter denen
der Tiber und der Arno die wichtigsten sind, eilen in kurzem
Laufe dem Meere zu. Im südlichen Teile der nur ungefähr
30 Meilen breiten Halbinsel gedeihen das Zuckerrohr, die
Dattelpalme, Reis und Baumwolle. Einige Arten des Cactus,
welche wir als Topfpflanzen pflegen, dienen dort zur Um¬
friedung der Gärten. Mit so köstlichen Erzeugnissen lohnt
freilich unser Boden die Mühe nicht, die auf seinen Anbau
verwendet wird; dafür gibt es bei uns keine Gegenden, wo
der Boden giftige Luftarten aushaucht, wie die Maremmen
und die pontinischen Sümpfe an der Westküste Italiens, und
keine Vulkane, wie der Vesuv, der im Jahre 79 nach Christus
binnen wenigen Stunden durch einen Aschenregen die Städte
Pompeji, Herkulänum und Stabiae verschüttet hat.
Fast in der Mitte der Apenninenhalbinsel liegt am Tiber
Rom, die gegenwärtige Hauptstadt Italiens und der ganzen
katholischen Christenheit, eine der ältesten und merkwürdigsten
Städte der Welt; nördlich von Rom Florenz am Arno,
mit Recht die „blühende“ benannt, und südöstlich davon
das schöne Neapel (d. h. Neustadt), von dem ein Sprich¬
wort sagt: „Fremdling, sieh’ Neapel und stirb 1“
Die grösste Stadt der Insel Sicilien, auf welcher sich
der über 3000m hohe Vulkan Ätna erhebt, ist Palermo.
Auf der Insel Sardinien ist die Hauptstadt Cagliari
(Käljäri). Die kleine Insel Elba ist durch den Kaiser
Napoleon I. geschichtlich merkwürdig geworden.