Object: Deutsches Lese-, Lehr- und Sprachbuch für Schule und Haus

59 
grämen über das, was dir fehlt. Er that cs und war glücklich, 
obgleich er noch nicht mehr hatte, als den Tag vorher. 
98. Leget die Lügen ab und redet die Wahrheit. 
Prahler war hochmüthig und wollte immer was Besonderes 
erzählen, damit die Leute ihn und seine Begebenheiten bewundern 
sollten. Einstmals erzählte er, wie er als Soldat vom Feinde ge¬ 
fangen worden, hätte man ihn in ein Land gebracht, wo die Bie¬ 
nen so groß als die Tauben wären. Wilhelm fragte ihn, ob sie 
denn dort auch Bienenkörbe hätten. Freilich, antwortete Prahler, 
eben solche als unsere, und mancher Bauer hat etliche hundert sol¬ 
cher Stöcke an seinem Gartenzaune. Wilhelm fragte weiter, ob 
etwa nur zwei Bienen in jedem Korbe wären. Warum nicht gar! 
ries Prahler, viele tausend in jedem Stocke. Da lachten alle Lente, 
denn so viele und so große Bienen hätten weder am Garten noch 
aus dem ganzen Hofe des Bauern Platz gehabt. 
Kleinmacher hatte einen andern Fehler. Dem war nichts gut 
genug. Er hatte ans einen jeden Menschen etwas zu sagen. Wer 
stille unb bescheiden war, den nannte er dumm; wer ein fröhliches 
Herz hatte, den hieß er frech und ansgelassen; wer das Seine zu 
Rathe hielt, der mußte geizig heißen, und wer ehrbar und ernst 
war, den schalt er gar einen Heuchler. Und so verkleinerte er das 
Gute an einem jeden Menschen und freuete sich, wo er etwas zu 
verachten oder daran ju tadeln finden konnte. Aber ein jeder ging 
auch weg, wohin Kleinmacher kam, und er wurde von alleil Leu- 
teil verachtet. 
99. Bosheit. 
An einem Scheidewege, wo drei Wege abgingell, fanden zwei 
Reisende einen Menschen und fragten ihn freundlich, welchen Weg 
sie nehmen müßteil, um nach einer gewisseil Stadt zlt kommen, und 
weil ihnen viel darail gelegeil war, so versprachen sie ihm eine Beloh¬ 
nung, wenn er eö ihnen mit Gewißheit sagen würde. Dieser Mensch 
wußte nun nicht gewiß, welches der rechte Weg llach der Stadt war, 
aber die Belohnung reizte ihn. Er that, als wenn er es wüßte 
und sprach: „Der mittelste Weg führt gerade zur Stadt; ich komme 
von dort her". Die Reisenden gaben ihm das Versprochene und 
gingen fort. Als sie lange gegangen waren und endlich an ein 
Dorf kamen, da erfuhren sie, daß sie gar nicht ans dem Wege zur 
Stadt, sondern einen vergeblichen Weg gegangeil wären. Das ver¬ 
droß die Reisenden sehr und sic schalten' im Eifer den Wegweiser 
einen Betrüger und Bösewicht, der ihrer nur gespottet hätte. 
100. Lügen haben kurze Füße. 
Elise ward von ihrer Mutter in den Garten geschickt, um von 
einem niedrigen Kirschbaume etliche Kirschen für ihren krallten Bru¬ 
der zur Erquickung zu holen. In diesem Jahre waren die Kirschen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.