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Da fühlte er, daß ihn jemand am Rockschoße festhielt,
und erblickte ein kleines Mädchen, das ihn mit bittender
Gebärde anschaute.
„Wer schickt dich hierhin zum Betteln, mein liebes Kind?"
fragte der Fremde. — „Meine kranke Mutter," entgegnete
die Kleine. — „Hast du denn keinen Vater?" — „Nein,"
antwortete das Mädchen unter Thränen, „mein Vater ist
tot, und jetzt müssen wir hungern." — „Nun, so führe mich
zu deiner Mutter," sprach er, und begleitete das Mädchen,
das ihn durch mehrere Gassen bis zu einer ärmlichen Hütte
führte.
„Hier ist unsere Wohnung." sagte das Kind, und beide
stiegen zwei enge dunkle Treppen hinauf bis zu einer Boden¬
thür, welche von der Kleinen geöffnet wurde. Sie kamen
in eine kleine Dachkammer, in der eine kranke Frau lag.
„Ach, lieber Doktor," sagte die Arme, „gewiß hat meine
Tochter sie heimlich hierhergeholt. Aber nehmen Sie es nicht
übel: ich habe keinen Heller zur Bezahlung." Der fremde
Herr aber sagte seinem Diener, der ihm gefolgt war, einige
leise Worte, worauf derselbe sich entfernte. Dann fragte
er: „Haben Sie keinen Angehörigen, der für Sie sorgt?" —
„Nein," erwiderte die Frau, „ich habe keinen Verwandten,
und die Mietsleute sind auch arm. Mein Mann war
Arbeiter, und solange er lebte, haben wir nicht Mangel
gehabt: seit seinem Tode ist es mir aber nicht gelungen,
mich und die Kleine zu ernähren. Obgleich ich Tag und
Nacht arbeitete, war der Verdienst doch zu gering, und nun
liege ich krank, und das Elend ist um so größer."
Bei dieser Rede wurden dem Fremden die Augen naß.
Er reichte dem Mädchen ein Geldstück und sprach: „Eile,
hole Brot und Wein." Voll Freude lief das Kind die
Treppen hinunter und kehrte bald mit einem Brot und einer
Flasche Wein zurück.
„Das möge Ihnen Gott tausendmal belohnen," sagte die
Frau unter Thränen. Und als sie noch miteinander redeten,
kam ein Arzt, der inzwischen von dem Diener herbeigeholt
worden war. Voll tiefer Ehrfurcht verneigte sich derselbe
vor dem fremden Herrn : dieser aber legte einen Geldschein
Burckhart, Das Haus Hohenzollern. 4