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besser ist, verschmähen sie. Ich weiß gar nicht, woher das
kommt."
3. Der Küfer sprach: „Ich könnte es der Frau Wirtin
wohl sagen, wenn sie es mir nicht übel nehmen wollte."
„Ganz und gar nicht," sagte die Wirtin; „ich sehe es viel¬
mehr als einen Freundschaftsdienst an."
4. „Nun denn," sprach der Küfer, „so muß ich schon
heraus mit der Sprache. Der Sternwirt hat allerdings
keine so guten Weine; allein seine Gläser sind hell und rein
wie Krystall. Die Frau Sonnenwirtin hingegen hat bessere
Weine, aber unreine und von Fliegen beschmutzte Gläser.
Nun mag der Wein noch so gut sein, so schmeckt er doch
aus einem schmutzigen Glase nicht. Sorge also die Frau
Wirtin dafür, daß die Gläser so rein seien, als ihr Wein
gut ist, und daß die Leute auch immer blank geputzte Fenster,
Tische und Stubenböden bei ihr finden, so werden bald
Gäste genug bei ihr einkehren."
5. Die Wirtin nahm diese Worte zu Herzen. Es ging
sogleich an ein Fegen und Putzen. Alle Geräte wurden
gesäubert und nicht der geringste Schmutz mehr geduldet.
Kaum hörten dies die Leute in der Stadt, so kamen sie in
Menge herbei, um reinen Wein aus hellen Gläsern in einer
sauber geputzten Stube zu trinken, und an manchem Tage
fanden sich so viele Gäste ein, daß die Wirtin sie kaum
unterbringen konnte.
6. „Seht, Kinder," sagte sie später oft zu ihren Söhnen
und Töchtern, „was die Reinlichkeit thut! Sie hat uns
wohlhabend und zufrieden gemacht, nachdem wir durch Un¬
reinlichkeit schon bis an den Rand des Verderbens gebracht
worden waren."
Dein Haus sei immer hell und rein;
Noch mehr soll es die Seele sein.
82. Der Wolf und das Geigerlein.
1. Vor nicht so gar langer Zeit gab es auch in unsern
deutschen Wäldern viele Wölfe, und mancher Bauer weiß noch