Full text: Sprachmustersammlung (Teil 1, [Schülerbd.])

83. Der Dicke und der Magere. 59 
Zeit mehr gelassen zum Wiederaufziehen, sondern hätte ihn dabei 
aufgefressen. 
4. Da kam zum Glück der alte Jobst, der Jäger, der den 
Wolf schon von weitem singen, den Geiger aber in der Nähe 
geigen hörte. Dieser zog den Kapellmeister gerade noch zur 
rechten Zeit von dem hungrigen Wolfe heraus und erlegte dann 
diesen. Der Kapellmeister ging aber ganz still seines Weges 
und nahm sich vor, künftig lieber am Tage und auf geradem 
Wege nach Hause zu gehen. Das Geigen im Wirtshause war 
ihm auch so ganz verleidet, daß er zu seinen Kameraden sagtet 
er wolle sich lieber mit der Nähnadel (denn er war ein 
Schneider) sein tägliches Brot erzeigen, und wenn er einmal 
eins auf Saiten aufspielen wollte, so thäte er's lieber in der 
Kirche als im Wirtshause; denn von dort sei ein gerader und 
sicherer Weg nach Hause, sei auch nicht so weit dahin als vom 
Wirtshause. 
83. Der Dicke und der Magere. 
1. „Wie gehen Sie es an, Vetter," sagte im Eisenbahn- 
coupä ein magerer Reisender zu seinem sehr wohlbeleibten 
Nachbar, „wie gehen Sie es an, Vetter, daß Sie so prächtig 
aussehen?" 
2. Ja," antwortete der Dicke, „das ist keine Kunst; 
vom Kukuruz leb' ich." 
3. „Vom Kukuruz!" Das ließ sich der Magere gesagt 
sein. Kukuruz ist ein nahrhaft Ding — so will er sich nun 
stets mit dieser Frucht ernähren, damit er doch ein bißchen 
was auf seine Knochen bekommt. — 
4. Beiläufig nach einem Jahre kamen die beiden wieder 
zusammen. Der Wohlbeleibte war seither noch dicker, der 
Magere noch dünner geworden. 
5. „Zum Kuckuck, Vetter," sagte dieser, „jetzt würge 
ich schon seit einem Jahre alle möglichen Kukurnzspeisen 
hinab und werde nur immer noch magerer. Sagen Sie 
mir doch, wenn sie vom Kukuruz leben, wie Sie sich die 
Sach' denn zubereiten, daß sie Ihnen so gut bekommt!"
	        
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