Full text: Lebensvoller Unterricht auf der Unterstufe unserer deutschen Lern- und Arbeitsschule

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Schritt zur Besserung. Und erst wer jenes einsieht, kann besser werden. Gott 
sei Dank, daß deren mehr werden! Nicht hören sie oder lassen etwa sich ver¬ 
blüffen durch den Einwand, wir vergäßen die ideale Bildung; treibe ich denn 
mit meinen Kindern nicht ideale Bildung, wenn wir ein Futterhaus für die 
hungernden Vöglein bauen und die armen Gäste täglich versorgen? Ist das 
nicht mehr, als zehn Sätze gewinnen zu dem Thema: Die Tiere im Winter?! 
Verkörpere ich nicht Schillers Wort „Die Art im Haus erspart den Zimmer¬ 
mann" in idealster Weise, wenn wir den defekt gewordenen Gartenzaun selber 
ausbessern, statt davon zu reden: Der Zimmermann baut Häuser, Scheunen 
und Gartenzäune?! Treibe ich nicht praktisches Christentum, wenn ich, beim 
Unterrichtsgang ins Freie mit meiner Knabenschar dem schwer beladenen Hunde¬ 
fuhrwerk am Fuße des Berges begegnend, zu meinen Buben sage: Iungens, 
ietzt wollen wir 'mal dem Hund 'ne Freude machen; wie denn? Und ihn 
ausgespannt, uns an den Wagen gespannt und den Wagen den Berg hinauf 
geschafft — wenn die stumme Kreatur reden könnte, was würde sie sagen? 
Ganz was anderes als wenn wir einpauken: Der Hund zieht auch den Wagen. 
Nicht so?! — 
Das waren nur Skizzen. — Es gibt noch mehr Bedenken. Sie wiegen 
alle den Wert der Arbeitsschule nicht auf; das Ausland lehrt es uns, wo man 
sie längst lieb und wert hält. Aber der wissenschaftliche, steife, knöcherne, 
urkonservative, deutsche Michel: Nur immer langsam voran! Daß aber durch 
solche Einbürgerung aller Art Tätigkeit in die Schule, durch Blumenpslege 
und Lehrmittelbauen, durch Sport und Spiel, durch die Inanspruchnahme 
aller Sinneswerkzeuge und vor allem der Hände der Geist des Kindes eine 
ganz andere Entwickelung geht, ohne daß die Charakterbildung auch nur ein 
Iota einbüßt, daß, mit einem Wort gesagt, wir unseren Kindern jene Aktions¬ 
bereitschaft, von der ich eingangs sprach, wenn auch nicht voll und ganz, aber 
anbahnend zu eigen machen können, liegt klar zu Tage. 
Ich stimme Hänig vollständig zu, wo er sagt: Die Aktionsbereitschaft 
ist ja, so könnte man einwenden, auch ohne Arbeitsunterricht schon da; wes¬ 
halb soll sich die Schule da hineinmischen? Ob sie aber — hier liegt der 
Schwerpunkt für uns — in Relation zu anderen Völkern künftig noch in zu¬ 
reichendem Maße vorhanden sein wird, das steht dahin. Wie groß sie erst 
sein würde, wenn sich die Schule ihrer Entfaltung und Pflege annähme, das 
läßt sich freilich nicht absehen. Frankreich, England, Amerika überlassen ein 
so wichtiges Moment nicht den außerschulischen Zufälligkeiten; sie bahnen die 
Verfeinerung der statisch dynamischen Zuständlichkeit in einer Zeit an, in der 
die Muskeln, Sehnen, Bänder, Nerven den höchsten Grad der Bildsamkeit be¬ 
sitzen. 
Möchte das deutsche Haus, möchten die deutschen Schulverwaltungen vor 
allem auch mehr Interesse für diese ungemein wichtige Sache haben zum 
Segen unseres ganzen Volkes, der Jungen jetzt, wie der dereinstigen Alten!
	        
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