296 IV. Die Niederlande.
Nun, als Republik der 7 Vereinigten nördlichen Provinzen der Niederlande schwang
es sich zum ersten Seestaat Europas empor, erlahmte aber allmählich und wurde 1794
eine leichte Beute der Franzosen. Sein Erbstatthalter aus dem Hause Nassau-Ora-
meu kehrte iudeß 1814 als König zurück und erhielt auch die belgischen Lande, die
sich jedoch 1830 von den Niederlanden trennten.
Nach seiner Naturbeschaffenheit gehört Holland zum Niederrheinischen
Tiefland, das den westlichsten Teil der norddeutschen Tiefebene bildet. Dasselbe
ist größtenteils durch die Anhäufung des Schlammes aus den Flüssen, und durch
Absätze des Meeres entstanden, also an- und aufgeschwemmter Boden, — ein Land
ohne Berge, ohne Steine, ohne Thäler, ohne Wälder, ohne Quellen, — fast ohne
alle Abdachung, daher langsam fließende Gewässer, viel stehendes Wasser, große
Moräste und Seen, oder aber Sand und Heide; — von Natur ein Sumpf- und Sand-
Land, mit Ausnahme einiger Marschgegenden. Freilich kein schönes Land, und doch,
was hat der menschliche Fleiß aus demselben gemacht! Denn nur durch eiserne
Ausdauer konnte sich in diesem Teile Europas, der mehr Wasser als fester Boden
ist, und sogar großenteils tiefer als das Meer oder hohl liegt („Hohftand"), eine
Bevölkerung Wohnsitze schaffen. Auf Schritt und Tritt mußte das Land dem Meere
abgerungen, mit eiferner Ausdauer muß es fortwährend gegen seine Einbrüche wie
gegen die Überflutungen der Flüsse geschützt werden. Daher ist das flache Land
überall von Dämmen (Deichen), Kanälen und Schleusen durchzogen, um trockenen
Boden zu gewinnen. Zahllose gradlinige Wassergräben, groß und klein, wechseln mit
Morästen, Seeu, Sümpfen und Torfstrecken, mit Flüssen, die träge ihre trübe Ge-
Wässer dahinwälzen und durch immer mehr sich verzweigende Arme ihren Weg
ins Meer suchen. So herrscht das Wasserelement im Lande vor, und das DeParte-
ment „Waterstaat" ist fast der beträchtlichste Teil der Landesverwaltung.
Durch fürchterliche Einbrüche hat sich die See von Zeit zu Zeit am Menschen
für seine Eingriffe in ihr altes Gebiet gleichsam gerächt. Die 60 Q.-M. große Zui-
der See (sprich: feuderfee) war zur Römerzeit noch fast lauter Land, erst 1170 bis
1395 wurde sie durch die Meereswogen eingerissen; der „Dollart" an der Mün-
dung der Ems ist 1277 und 1287 eingebrochen, und der „Biesbosch" (Binsenbusch)
an der Maas erst 1421. Und bei allen diesen Katastrophen sind Städte und Dörfer
in Menge samt ihren Bevölkerungen von den Fluten des Meeres verschlungen worden.
Die Zuider See verschlang allein bei der letzten der obigen Fluten 80000 Menschen,
der Biesbosch sogar 72 Ortschaften mit 100000 Menschen.
§ 283. Zwar die erste Provinz Hollands, die man mit dem Rhein betritt,
Geldern, ist nicht so überfüllt mit Waffer. Hier herrfcht vielmehr Sandboden vor
— das große norddeutsche Heideland zieht hier durch bis tief nach Belgien —; der
größte Teil dieser Provinz ist daher unfruchtbare Heide, die Veluwe, die nur
zur Schafweide benützt wird; bloß die Ufer der Flüffe sind fruchtbar, auch reich an
Obst; namentlich die Umgebungen der ersten holländischen Stadt, Arnheim am
Rhein (41000 E.), gehören zu den schönsten in Holland. Sonst aber ist es trauriges Laut».
Aus Mangel an anderem Brennstoff wird hier das Heidekraut zur Feuerung gebraucht.
— In dieser Provinz sind noch die höchsten Hügel Hollands, bis 110 in hohe Platten.
Westwärts, Rotterdam zu, kommt man durch die fruchtbare „Betuwe" zwi-
schen Rhein und Waal, — den einzigen besseren Landstrich in der großen Sand-
und Heidesteppe. Weiterhin aber fängt das niedriger gelegene Land an, und damit
das Wasserland, das eigentliche Holland.