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zwungenen Sprechen gestikulieren sieht, der kann uns den Gebrauch der Geste
nicht verwehren. Natürlich mutz es eine ungezwungene Bewegung sein,
keine so steife, eckige, wie man sie beim Deklamieren von Kindern der Mittel¬
und Oberstufe noch oft genug beobachten kann. Nein; aber — man lasse
mich in Beispielen reden! — wenn in der biblischen Geschichte die Kinder
nun gehört haben, wie der arme Vetter Lot und seine Frau und seine
3 Töchter von den Leuten aus dem Hinterlande, als den Siegern über
Sodom, gebunden weggeführt werden, da kommt die Hand des Kindes
ganz wie von selber bei der Stelle: „Und fort ging es, fort; sie waren
Kriegsgefangene", und fährt durch die Luft, wie es des Lehrers Hand beim
Erzählen getan, ohne datz oieser die Handbewegung kommandiert. Und wenn der
Christoph am Bächlein steht und es fragt: „Wo kommst du her? Wo gehst
du hin?" — da zeigt der Arm erst bachaufwärts, dann bachabwärts. Und
wenn das „Büblein auf dem Eise" „platscht und krabbelt als wie ein Krebs
uno zappelt mit Arm und Bein" — da mützte man als Lehrer doch ein
Tyrann sein, wenn man bei solchen Worten die Kinder verdammen wollte zum
Stillesitzen! Die Beine brauchen ja nicht mit zu platschen und krabbeln, aber
wenigstens die Arme; das macht doch keinen Lärm! Und „belebt die Szene".
Der Biblische Geschichtsunterricht, der „Gesinnungsunterricht" bützt an „Würde"
nichts ein, wenn die Geste hineingetragen wird. Und wenn die Kinder auf
den Bildern sehen, wie Abraham mit seinem erhobenen Arm h inunter¬
weist auf die Auen seines Landes, so darf das Kind diese Bewegung
auch nachmachen; sie ist natürlich. Und wenn der Herr Jesus auf dem
Bilde von der Auferweckung des Jünglings zu Nain abgebildet ist, wie er
oie Rechte erhebt bei den Worten: „Jüngling, ich sage dir, stehe auf" — so
darf diese Handbewegung des Herrn Jesus auch das Kind wiedergeben beim
Wiedererzählen und die ganze Klasse beim Chorsprechen. Ich könnte mit
Leichtigkeit fünfzig Beispiele hier noch bringen. Man schaue sich nur jedes
Berschen auch daraufhin an. Und wenn Seinig in seiner „Redenden Hand"
vorschlägt, der Lehrer solle sich bei jeder Präparation den neuen Stoff auch
besonders nach der Richtlinie hin ansehen: Was ist merklich darzustellen — so
rechne ich die Berücksichtigung der Geste hier mit ein. Matz halten, das gilt
selbstverständlich auch hier. Man glaube nicht etwa, datz meine Kinder fort¬
während mit Händen und Fützen strampeln. Aber zwischen halbstunden- und
stundenlangem, stumpfsinnigem Dasitzen mit krampfhaft gefalteten Händchen
und einem lärmerregenden Hand- und Futzgebrauch gibt's auch noch einen
Mittelweg. Und für den bin ich als Reformer auf der Mittellinie.
Wir helfen auch durch die Geste zu einem „lebensvollen Unterricht". —
Doch zurück zu den sogenannten Bewegungsübungen! „Die Kin¬
der freuen sich," sagt Eltzner (Aufgaben für Zeichnen und Werktütigkeit:
Von Vorübungen), „wenn das Stillesitzen ab und zu unterbrochen wird."
Sie geben dem Lehrer die „rechte" Hand; sie zeigen mit der „linken" an,
wenn sie antworten wollen. Sie heben die Arme „gleichhoch" bis zur Schulter-
und „Augenhöhe", halten „sie nach oben, unten, vorn, hinten", stellen einen