JJ 39
christel ihre Herde vergnügt nach Hause. Eines Abends aber erhoben
plötzlich die Gänse ein gewaltiges Geschrei, und eine nach der andern
flog schreiend dem Dorfe zu. Sie hatten einen Fuchs bemerkt, der aus
dem Walde geschlichen kam. In der Angst war auch die Gänsechristel
als Gans mit fortgeflogen und mit noch vielen andern Gänsen in den
Hof eines reichen Bauern eingefallen. Als die Bauersfrau die Gänse
angeflogen kommen sah, sagte sie zornig: Komm mir nur morgen unter
die Finger!“ Die Gänsechristel, die unter den andern Gänsen stand,
zitterte vor Angst; denn sie wußte nur zu gut, wem die Drohung galt.
Sie lief daher eilig in den Gänsestall, und die andern Gänse solgten
ihr. Als die letzte Gans im Stalle war, verschloß ihn die Bauersfrau
und sagte zu der Magd: „Morgen kommt meine Frau Base, da wollen
wir die beste schlachten!“ Als die Gänsechristel das hörte, gab sie sich
im Stalle geschwind ihre rechte Gestalt wieder; denn sie dachte, sie könnte
als die beste an das Messer geliefert werden.
Am frühesten Morgen kam die Bauersfrau mit der Magd, schloß
den Stall auf und sagte: „Kriech hinein und such mir die beste aus!“
Die Magd kroch in den finstern Stall, tappte umher und erwischte in
der Dunkelheit die Gänsechristel, die in einer Ecke saß, bei den Haaren.
„Still!“ rief diese, „verrat' mich nicht!“ Aber die erschrockene Magd
schrie: „Laßt mich hinaus, laßt mich hinaus!“ Da öffnete die Frau die
Tür ein wenig, und die Magd schlüpfte heraus und flüsterte, am ganzen
Leibe zitternd: „Frau, da drinnen ist's nicht richtig. In dem Stalle
steckt ein Dieb, wenn's nicht gar der Teufel ist. Das Ding da drinnen
griff sich ganz haarig an und hatte seurige Augen und brüllte mich an.
Habt Ihr denn nichts gehört?“ Da wurde der Bauersfrau angst und
bang, und sie rief ihren Mann. Als der hörte, um was es sich handelte,
ergriff er einen großen Knüppel und rief drohend: „Heraus, wer da
drinnen steckt!“ und indem er das rief, riß er die Tür weit auf. Die
Gänsechristel hatte sich in ihrer Angst geschwind wieder in eine Gans
verwandelt und war die erste, die mit lautem „Gak-gak!“ aus dem
Stalle lief. Die andern Gänse folgten ihr, und alle eilten zum Hofe
hinaus, und als die Bauersfrau mit der Magd laut schreiend hinterdrein
lief, logen die Gänse auf und flogen hoch über das Dorf weg. Die
Bauersfrau aber schlug die Hände über dem Kopf zusammen und jammerte:
„Ach, meine Gänse! meine fetten Gänse!“ Während dies geschah, stand
der Bauer noch immer mit seinem Knüppel vor dem Stall und rief
immer zorniger: „Heraus, was da drinnen steckt!“ Endlich blickte er
vorsichtig in den Stall, und als er sah, daß dieser leer war, kratzte er sich