Full text: [Teil 2 = Kl. 7] (Teil 2 = Kl. 7)

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christel ihre Herde vergnügt nach Hause. Eines Abends aber erhoben 
plötzlich die Gänse ein gewaltiges Geschrei, und eine nach der andern 
flog schreiend dem Dorfe zu. Sie hatten einen Fuchs bemerkt, der aus 
dem Walde geschlichen kam. In der Angst war auch die Gänsechristel 
als Gans mit fortgeflogen und mit noch vielen andern Gänsen in den 
Hof eines reichen Bauern eingefallen. Als die Bauersfrau die Gänse 
angeflogen kommen sah, sagte sie zornig: Komm mir nur morgen unter 
die Finger!“ Die Gänsechristel, die unter den andern Gänsen stand, 
zitterte vor Angst; denn sie wußte nur zu gut, wem die Drohung galt. 
Sie lief daher eilig in den Gänsestall, und die andern Gänse solgten 
ihr. Als die letzte Gans im Stalle war, verschloß ihn die Bauersfrau 
und sagte zu der Magd: „Morgen kommt meine Frau Base, da wollen 
wir die beste schlachten!“ Als die Gänsechristel das hörte, gab sie sich 
im Stalle geschwind ihre rechte Gestalt wieder; denn sie dachte, sie könnte 
als die beste an das Messer geliefert werden. 
Am frühesten Morgen kam die Bauersfrau mit der Magd, schloß 
den Stall auf und sagte: „Kriech hinein und such mir die beste aus!“ 
Die Magd kroch in den finstern Stall, tappte umher und erwischte in 
der Dunkelheit die Gänsechristel, die in einer Ecke saß, bei den Haaren. 
„Still!“ rief diese, „verrat' mich nicht!“ Aber die erschrockene Magd 
schrie: „Laßt mich hinaus, laßt mich hinaus!“ Da öffnete die Frau die 
Tür ein wenig, und die Magd schlüpfte heraus und flüsterte, am ganzen 
Leibe zitternd: „Frau, da drinnen ist's nicht richtig. In dem Stalle 
steckt ein Dieb, wenn's nicht gar der Teufel ist. Das Ding da drinnen 
griff sich ganz haarig an und hatte seurige Augen und brüllte mich an. 
Habt Ihr denn nichts gehört?“ Da wurde der Bauersfrau angst und 
bang, und sie rief ihren Mann. Als der hörte, um was es sich handelte, 
ergriff er einen großen Knüppel und rief drohend: „Heraus, wer da 
drinnen steckt!“ und indem er das rief, riß er die Tür weit auf. Die 
Gänsechristel hatte sich in ihrer Angst geschwind wieder in eine Gans 
verwandelt und war die erste, die mit lautem „Gak-gak!“ aus dem 
Stalle lief. Die andern Gänse folgten ihr, und alle eilten zum Hofe 
hinaus, und als die Bauersfrau mit der Magd laut schreiend hinterdrein 
lief, logen die Gänse auf und flogen hoch über das Dorf weg. Die 
Bauersfrau aber schlug die Hände über dem Kopf zusammen und jammerte: 
„Ach, meine Gänse! meine fetten Gänse!“ Während dies geschah, stand 
der Bauer noch immer mit seinem Knüppel vor dem Stall und rief 
immer zorniger: „Heraus, was da drinnen steckt!“ Endlich blickte er 
vorsichtig in den Stall, und als er sah, daß dieser leer war, kratzte er sich
	        
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