Full text: [Teil 1 = Kl. 8] (Teil 1 = Kl. 8)

sie der andern häßlichen und faulen Tochter' gerne dasselbe Glück ver¬ 
schaffen. Sie mußte sich an den Brunnen setzen und spinnen; und damit 
ihre Spule blutig ward, stach sie sich in den Finger und stieß sich die 
Hand in die Dornhecke. Dann warf sie die Spule in den Brunnen und 
sprang selber hinein. Sie kam wie die andere auf die schöne Wiese 
und ging auf demselben Pfade weiter. Als sie zu dem Backofen gelangte, 
schrie das Brot wieder: „Ach, zieh mich raus, zieh mich raus, sonst 
verbrenn' ich, ich bin schon längst ausgebacken." Die Faule aber ant¬ 
wortete: „Da hätt' ich Lust, mich schmutzig zu machen," und ging fort. 
Bald kam sie zu dem Apfelbaum, der rief: „Ach, schüttet mich, schüttet' 
mich, wir Äpfel sind alle miteinander reif." Sie antwortete aber: „Du 
kommst mir recht, es könnte mir einer auf den Kopf fallen," und ging 
damit weiter. Als sie vor der Frau Holle Hans kam, fürchtete sie sich 
nicht, weil sie von ihren großen Zähnen schon gehört hatte, und ver¬ 
dingte sich gleich zu ihr. Am ersten Tag tat sie sich Gewalt an, war 
fleißig und folgte der Frau Holle, wenn sie ihr etwas sagte; denn sie 
dachte an das viele Gold, das sie ihr schenken würde; am zweiten Tag 
aber fing sie schon an zu faulenzen, am dritten noch mehr, da wollte sie 
morgens gar nicht aufstehen. Sie machte auch der Frau Holle das Bett 
nicht, wie sich's gebührte, und schüttelte es nicht, daß die Federn auf¬ 
flogen. Das ward die Frau Holle bald müde und sagte ihr den Dienst 
auf. Die Faule war das wohl zufrieden und meinte, nun würde der 
Goldregen kommen. Die Frau Holle führte sie auch zu dem Tor; als 
sie aber darunter stand, ward statt des Goldes ein großer Kessel voll 
Pech ausgeschüttet. „Das ist zur Belohnung deiner Dienste," sagte die 
Frau Holle und schloß das Tor zu. Da kam die Faule heim, aber 
sie war ganz mit Pech bedeckt, und der Hahn auf dem Brunnen, als er 
fic ricf: ..Kikeriki, 
unsere schmutzige Jungfrau ist wieder hie." 
Das Pech aber blieb fest an ihr hängen und wollte, solange sie lebte, 
nicht abgehen. 
126. Wenn der Winter kommt. von Gertrud Berg. 
Kindergeschichten. Gotha 1905. S. 51. 
Hu! das ist aber kalt,“ sagte der kleine Spatz zur Spatzenmama. 
„Das glaube ich,“ sagte die Frau Spätzin, „es will ja nun auch 
Winter werden. Stecke mal dein Köpfchen zum Nest heraus.“ Es 
war noch früh am Morgen, und die Sonne war noch nicht lange 
aufgegangen. Das Spätzchen guckte in den Garten hinunter und
	        
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