so wollte er zu einem Brunnen gehen und trinken. Als er aber anfing
zu gehen und sich hin und her zu bewegen, so stießen die Steine in seinem
Bauch aneinander und rap¬
pelten. Da rief er:
„Was rumpelt und pumpelt
in meinem Bauch herum?
Ich meinte, es wären sechs
Geißlein,
so sind's lauter Wackerstem'."
Und als er an den Brun¬
nen kam und sich über das
Wasser bückte und trinken wollte, da zogen ihn die schweren Steine hinein,
und er mußte jämmerlich ersaufen. Als die sieben Geißlein das sahen,
da kamen sie herbeigelaufen, riefen laut: „Der Wolf ist tot! der Wolf ist
tot!" und tanzten mit ihrer Mutter vor Freude um den Brunnen herum.
159. Häusel und Gretel. Von den Brüdern Grimm.
Kinder- und Hausmärchen. Originalausgabe. 32. Ausl., besorgt von Reinhold Steig.
Stuttgart und Berlin 1906. S. 51.
l.
or einem grollen Walde wohnte ein armer Holzhacker mit
seiner Frau und seinen zwei Kindern; das Bübchen hieß
Hansel, und das Mädchen hieß Gretel. Er hatte wenig zu beißen
und zu brechen, und einmal, als große Teuerung ins Land kam,
konnte er auch das tägliche Brot nicht mehr schaffen. Wie er sich
nun abends im Bette Gedanken machte und sich vor Sorgen
herumwälzte, seufzte er und sprach zu seiner Frau: „Was soll aus
uns werden? Wie können wir unsere armen Kinder ernähren, da
wir für uns selbst nichts mehr haben?“ — „Weißt du was, Mann,“
antwortete die Frau, „wir wollen morgen in aller Frühe die Kinder
hinaus in den Wald führen, wo er am dicksten ist; da machen wir
ihnen ein Feuer an und geben jedem noch ein Stückchen Brot,
dann gehen wir an unsere Arbeit und lassen sie allein. Sie finden
den Weg nicht wieder nach Hause, und wir sind sie los.“ — „Nein,
Frau,“ sagte der Mann, „das tue ich nicht; wie sollt ich’s übers
Herz bringen, meine Kinder im Walde allein zu lassen, die wilden
Tiere würden bald kommen und sie zerreißen.“ — „O du Narr,“
sagte sie, „dann müssen wir alle viere Hungers sterben, du kannst
nur die Bretter für die Särge holen,“ und ließ ihm keine Ruhe, bis
Lesebuch für Mittelschulen. I. 10