183. Der gute Großpapa. Von Ludwig Marquardt.
Charakterzüge und Anekdoten aus dem Leben Kaiser Wilhelms I. Leipzig 1890. S. 108.
Im Sommer des Jahres 1886 weilte Prinz Wilhelm mit seiner
Gemahlin Auguste Viktoria in Berchtesgaden, um in der Gebirgs-
luft die angegriffene Gesundheit zu stärken.
Um jene Zeit reiste Kaiser Wilhelm I. nach Gastein und kam nach
Salzburg, wo das junge Paar ihn zu seiner großen Freude empfing.
Die Prinzessin konnte nicht genug erzählen von all den gro߬
artigen Naturschönheiten, die sie geschaut. „So geht es dir also
recht gut?“ fragte huldvoll der greise Monarch. „Ach, manchmal
hab’ ich doch betrübten Sinn; denn ich kann das Heimweh kaum
mehr hindern und sehne mich so sehr nach meinen Kindern,“ gab
die fürstliche Mutter schüchtern-zur Antwort. Da lächelt der Kaiser
mild und fragt; „Aber warum nehmt ihr denn eure Kleinen nicht
mit? Die frische Bergluft müßte ihnen doch ausgezeichnet bekommen,
und sie würden dabei vortrefflich gedeihen.“ „Ach, Großpapa, es
kostet doch zu viel!“ Da nickt der Kaiser: „Ja, ja, da hast du recht,
für so drei kleine Prinzen.“ Als die hohen Herrschaften nun spät
beim Abendessen saßen, reicht Kaiser Wilhelm der Prinzessin
freundlich lächelnd ein Telegramm. Sie schaut hinein und traut
kaum ihren Augen, bis der gütige Herr bestätigend spricht;
„Ja, bald sind deine Kinder auf dem Posten,
sie werden kommen, doch — auf meine Kosten!“
184. Kaiser Milbelm I. in öaitein. von emit frommet.
Daheimkalender für das Jahr 1889. Bielefeld und Leipzig. 8. 289.
VYY^ie teilnehmend und zartfühlend der Kaiser war, davon haben viele
die leuchtendsten Beweise erfahren, unter andern auch ein kranker
Badegast. Noch ehe das Badeschloß in Gastein zum Hotel eingerichtet
war, wohnten unten die Badegäste, während oben der Kaiser die Zimmer
innehatte. Da gab's, wie so manchmal, einen Tag, an welchem es mit
Kübeln goß, so daß an ein Ausgehen nicht zu denken war. Und doch
sollte der hohe Herr sich Bewegung machen. Da benutzte er die ganze
Flucht von Zimmern zum Auf- und Abgehen. Als der Kammerdiener
ihn nicht mehr promenieren hörte, ging er hinein, etwas zu bringen. Aber
wie fand er seinen Herrn? Einen Bodenteppich aus den andern legend
im Schweiße des Angesichts. „Aber, Majestät, was tun Sie da,
warum lassen Sie mich das nicht tun?" Lächelnd sagte der Kaiser: