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flog schnell ein Vogel auf und schrie laut, während er
seine braunen Flügel ausbreitete.
„Vielleicht hat er ein Nest hier. Wir wollen ihn
nicht stören, wir wollen weitergehen,“ sagte Vater.
Aber da hing ich mit dem Ärmel fest an einem
Dorn. Es gab ein dreieckiges Loch in dem neuen blauen
Kleide, und Vater schalt.
„Ach so, dies ist eine Dornenhecke,“ sagte ich
kleinlaut; das Wort kannte ich schon lange, aber gesehen
hatte ich solche Hecke noch nicht.
Plötzlich schrie ich vor Verwunderung auf. Die
Hecke blühte ja! Blühte mit reizenden weißen Blumen,
die rote Knötchen auf langen Stielen hatten, inwendig,
eine ganze Menge. Viele Blumen standen immer dicht
nebeneinander, wie fertige kleine Sträuße. Ich steckte
mir einen an, Vater wollte keinen. Der Stengel war
aber zäh, man mußte ihn mit dem Messer abschneiden.
„Sie riechen nach Mandeln!“ rief ich erfreut. Ich
pflückte eine Menge blühender Weißdornzweige. Als ich
sie eine halbe Stunde getragen hatte, ließen sie schon
die Köpfe hängen. Zu Hause, im Wasser, erholten sie
sich wieder, aber der Mandelgeruch war verschwunden.
„O Mutter, wärest du mit gewesen heut morgen
und hättest die hübsche Hecke gesehen, und wie da die
weißen Blüten zwischen dem saftigen Grün und Rot der
Blätter standen, und wie sie im Sonnenschein nach
Mandeln dufteten, und wie die Bienen um sie herum¬
flogen — sie hätten dir auch gefallen!“ rief ich.
Mutter seufzte.
„Ja, wenn ich nicht immer für euch flicken müßte,
dann könnte ich auch mal mitgehen.“
Gestern nun ist Mutter mit uns gegangen. Es war
solch ein schöner Oktobertag. Wir kamen wieder in
dieselbe Gegend. „Siehst du, da ist die Hecke!“ sagte
ich. Sie sah aber doch ganz anders aus. Zwar hatte
sie noch viele, viele Blätter, aber sie waren braun und