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9. Mutter. Von Johannes Trojan.
Aus dem Leben. Berlin 1905. S. 10.
1. ,Mutter!" schallt es immerfort
und fast ohne Pause,
„Mutter“ hier und „Mutter“ dort
in dem ganzen Hause.
2. Überall zugleich zu sein,
ist ihr nicht gegeben,
sonst wohl hätte sie, ich mein1,
ein bequemer Leben.
3. Jedes ruft, und auf der Stell1
will sein Recht es kriegen,
und sie kann doch nicht so schnell
wie die Schwalbe fliegen.
4. Ich fürwahr bewundre sie,
daß sie noch kann lachen.
Was allein hat sie für Müh1,
alle satt zu machen!
5. Kann nicht einen Augenblick
Ruhe sich erlauben,
und das hält sie gar für Glück —
sollte man das glauben?
10. Der Sonnenstrahl. Von Sophie Reuibetmer.
Von Sonne, Regen, Schnee und Wind und andern guten Freunden.
Berlin-Schöneberg 1907. 8. 7.
1.
ißt ihr, welche Mutter die allermeisten Kinder hat?
Das ist die Frau Sonne, die oben am Himmel wohnt.
Denkt einmal: die vielen, vielen Sonnenstrahlen,
die jeden Tag auf die Erde herunterkommen, um sie
zu beleuchten und zu erwärmen — das sind doch
alles ihre Kinder.
Frau Sonne hat manchmal recht viel Müh' und Plage mit der
großen Kinderschar; aber sie hat auch ihre Freude an ihnen, wenn sie
sieht, wie fleißig sie da unten auf der Erde ihre Arbeit verrichten. Die
allergrößte Freude aber ist es, wenn des Abends Frau Sonne all ihre
Strahlenkinderlein hineinruft zum Schlafen. Dann kommen sie alle, einer
nach dem anderen an, die einen müde, die anderen noch ganz frisch und
munter, und dann fängt ein Erzählen und Lachen und Schwatzen an.
Wer könnte auch wohl mehr erzählen als die Sonnenstrahlen?
2.
Nun hört, was der eine von ihnen gestern abend erzählte:
„Heut habe ich etwas ganz Neues gehört," sagte er, „etwas, das
ich noch gar nicht gewußt habe. Ich sah durch ein geöffnetes Fenster