Full text: [Teil 2 = Kl. 7] (Teil 2 = Kl. 7)

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einen Teil der Missetaten seines Herrn Zur Last; aber er leugnete alles, 
was man ihm schuld gab. Selbst dann noch, als man ihm die Daumen¬ 
schrauben anlegte, um ein Geständnis von ihm Zu erpressen, blieb er fest 
dabei, daß er unschuldig sei. Dennoch wurde er verurteilt, gehenkt Zu 
werden. 
Als er nun auf seinem letzten Gange an dem Nikolaikirchhofe vor¬ 
beikam, auf dem seine Eltern ruhten, da fiel es ihm schwer aufs Herz, 
daß er unschuldig sterben sollte, und er wollte mit Gottes Beistand ein 
Zeugnis hinterlassen, daß ihm Unrecht geschehen sei. Er bat also den 
Henker, er möge ihn doch noch am Grabe seiner Eltern ein Vaterunser 
beten lassen. Der Henker willigte ein und ließ ihn durch seine Knechte bis an 
den Grabhügel der Eltern führen. Hier fiel der Verurteilte auf die Knie, 
um zu beten. Dann riß er ein kleines Lindenbäumchen, das auf dem 
Grabe stand, mit der Wurzel aus und pflanzte es verkehrt wieder ein, 
so daß die Wurzeln als Zweige in die Hohe standen, die bisherigen 
Zweige aber mit Erde bedeckt wurden. Darauf rief er aus: „So wahr 
dies Bäumchen aus den Wurzeln Zweige und aus den Zweigen Wurzeln 
treiben wird, so gewiß werde ich unschuldig hingerichtet." 
So geschah es. Das Bäumchen wuchs zum mächtigen Baume heran 
und gibt noch heute Zeugnis von jenem Gottesgericht. 
103. Nur nicht lügen! Von Helene Krüger. 
Eine Festgabe für kleine Leute. Nürnberg o. I. S. 9. 
/. Lieschen, mußt die Wahrheit sagen! 
Ach, das Lügen macht mir Schmerz, 
Mutter sieht dir nur ins Auge, 
aber Gott sieht in dein Herz. 
2. Dunkle Flecken macht die Lüge 
in dein Herzenskämmerlein, 
und es soll doch eine Wohnung 
für das liebe Christkind sein. 
104. Das Cumpengeiindel. Von den Brüdern 6rimrn. 
Kinder- und Hausmärchen. Originalausgabe. 32. Ausl., besorgt von Keinhold Steig. 
Stuttgart und Berlin 1906. 8. 35. 
^^ähncheu sprach zum Hühnchen: „Jetzt ist die Zeit, wo die Nüsse 
reif werden, da wollen wir zusammen auf den Berg gehen und 
uns einmal recht satt essen, ehe sie das Eichhorn alle wegholt." „Ja," 
antwortete das Hühnchen, „komm, wir wollen uns eine Lust mitein¬
	        
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