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Es sproßt am grünen Hage
das erste frische Grün,
am blauen Himmel fröhlich
die Lämmerwolken ziehn.
2. Das ist die Zeit der Wonne,
die liebe, goldne Zeit!
Da freun sich Klein’ und Große,
das Herz wird froh und weit.
Vorüber ist der Winter,
vergessen Sorg’ und Not,
und tausend Herzen jubeln:
„Hab’ Dank, du lieber Gott!“
19. Die Schlüsselblume. Von Gustav Schalk.
Im Märchenlande. 5. Ausl. Berlin 1904. S. 227.
Der Winter hielt die Erde lange verschlossen, so daß
auch kein einziges Blümchen herauskommen konnte.
Endlich erschien der holde Frühling mit seinem
goldenen Schlüssel. Er eilte von Wiese zu Wiese, von
Wald zu Wald und erschloß die Erde und alles Gewässer.
Aber auf seinen lustigen Streifereien verlor er den
goldenen Schlüssel.
Das merkte der grimme Winter gar bald, und er
kam zurück mit seinem Schlüssel von Eis, schloß alles
Gewässer wieder zu und blies seinen kalten Odern über
die Erde.
Wie erschraken da die Blümchen, die sich schon
herausgewagt hatten, die zarten Schneeglöckchen und
Veilchen, die Leberblümchen und Aurikelchen! Und der
arme Frühling selbst zitterte vor Kälte und rieb sich die
roten Fingerspitzen.
Wie er nun überall nach dem verlorenen Schlüssel
suchte, da begegnete er einem Blümchen, das stand
hinter einem Schlehenstrauch und schaute trotz Frost
und Wind ganz munter aus den klaren, gelben Äuglein.