176. Kaiser Friedrich III. als Hr$t. von wuibeim pcticb.
Unser Fritz. Leipzig 1874. 8. IV.
®s war im Juli des Jahres 1865. Auf der Promenade zu Karlsbad
in Böhmen schritten die Badegäste auf und ab und lauschten der
Musik, die fröhlich vom Kurhause herüberschallte. Unter den Spazier¬
gängern befand sich auch ein Herr, der von allen Seiten auffallend
ehrfurchtsvoll begrüßt wurde und deshalb einsamere Wege aufsuchte.
Da fühlte er sich plötzlich am Rockschoße erfaßt. Er blickte sich um
und sah ein blasses Mädchen, das flehend zu ihm emporschaute.
„Wer schickt dich betteln, mein Kind?" fragte der Fremde.
„Meine kranke Mutter!" antwortete die Kleine.
„Wo ist dein Vater?"
„Der ist tot. — Ach, uns hungert so sehr!" setzte sie schluchzend
hinzu.
Der Herr, der schon seine Börse gezogen hatte, steckte sie wieder ein.
„Führe mich zu deiner Mutter, Kleine!" sagte er und folgte dem
Mädchen, das ihn durch mehrere Straßen und Gäßchen bis zu einem
kleinen, baufälligen Hause führte.
„Hier wohnen wir, Herr!"
Sie schritten zwei schmale, alte, knarrende Treppen hinauf. Dann
öffnete die Kleine eine Bodentür, und der Herr blickte nun in eine
halbfinstere Dachkammer; der Verschlag war feucht und kalt. In der
Ecke lag auf ärmlichem Lager eine junge Frau, der das Elend in den
Augen zu lesen war. Sie richtete sich schluchzend auf, als der Fremde
eintrat. „O, Herr Doktor," sagte sie, „es ist nicht recht, daß meine
Tochter Sie heimlich gerufen hat. Ich habe keinen Heller und kann
nichts bezahlen."
Der fremde Herr winkte einen Diener herbei, der ihm gefolgt war,
und sagte ihm einige Worte, worauf dieser sich sogleich entfernte.
„Haben Sie niemand, der für Sie sorgt?" fragte er dann.
„Ich habe keinen Verwandten, der sich um mich kümmern könnte,
und meine Wirtsleute sind selber arm. Mein Mann war Arbeiter.
So lange er lebte, ging es uns gut; seit er tot ist, habe ich Tag und
Nacht gearbeitet, um uns zu ernähren. Dann wurde ich krank, und so
kamen wir in Not und Elend."
Der Herr gab dem Mädchen Geld und sagte: „Geh, hole Brot
und Wein!"