§. 1088. 1089. Zug der Revolution durch Europa. 805 
§. 1088. Schleswig-Holstein und Posen. Unterdessen waren die deutschen 
Grenzländer der Schauplatz großer Erschütterungen und blutiger Kämpfe. In Schles¬ 
wig-Holstein bildete sich, in Folge einer revolutionären Bewegung in der dänischen 
Hauptstadt, durch welche der König gezwungen ward, die Einverleibung des Herzogthums 
Schleswig in das Königreich auszusprechen, eine provisorischeLandesregierung, 
an deren Spitze Wilhelm Beseler stand; dies wurde die Losung zu einer Trennung 
von Dänemark und zu einem blutigen Krieg. Deutschland nahm sich des von den Dänen 
angegriffenen Landes an, als die kleine schleswig-holsteinische Armee bei Bau geschlagen 9- 
sich nach der Festung Rendsburg zurückziehen mußte. Freischaaren bildeten sich aus Stu- 148' 
denten und hoffnungsvollen Jünglingen, die Leben und Gesundheit im ungleichen Kampfe 
wagten; preußische und andere deutsche Bundestruppen eilten den Herzogthümern zu 
Hülse, schlugen unter dem preußischen General Wrangel die dänische Armee bei 2s. April. 
Schleswig, drangen siegreich bis nach Jütland vor und vertrieben die Feinde vom 
festen Lande. Aber bei dem Mangel einer deutschen Kriegsflotte (für deren Er¬ 
richtung sich die öffentliche Meinung durch Privatbeiträge und das Parlament durch 
Bestimmung einer Summe von sechs Millionen Gulden aussprach) war der Kampf ein 
ungleicher, und der nördliche Seehandel erlitt große Verluste und Störungen. Dieser 
Umstand und die drohende Haltung Rußlands, Schwedens und Englands zu Gunsten 
der Dänen bewirkten, daß die preußische Regierung, der die deutsche Centralgewalt die 
Regelung der schleswig-holsteinischen Frage anheimgegeben hatte, sich auf diplomatische 
Vermittelung einließ, wodurch die kriegerische Energie gelähmt wurde und ein wenig 
ehrenvoller Waffenstillstand zum Abschluß kam, welcher sogar die Wirkung des „offenen 26i8£;8' 
Briefes" (1012), der Schleswigs Einverleibung in Dänemark verkündet hatte, im 
Wesentlichen bestehen ließ. — In der preußischen Provinz Posen pflanzten die p o l - 
Nischen Einwohner die Fahne der Unabhängigkeit und Nationalität auf. Nicht zufrieden 
mit einer von der preußischen Regierung verheißenen und angeordneten Reorgani¬ 
sation des Landes, wonach die deutschen Districte abgelöst und mit den benachbarten 
Provinzen vereinigt, die polnischen Landestheile dagegen unter eine nationale Verwaltung 
gestellt werden sollten, machten die Polen verjährte Ansprüche auf das ganze Reich, tw 
es vor der ersten Theilung gewesen, geltend und fielen mordend über ihre deutschen Lands¬ 
leute her. Nach einem barbarischen Kampfe, wobei politischer und religiöser Fanatismus 
mit Nationalhaß gepaart die Polen zu den entsetzlichsten Gräuelthaten trieb, erlagen die 
Insurgenten der Tapferkeit der preußischen Truppen. — Auch an Englands aristokra¬ 
tische Nationalversasfung wagte sich der demokratische Zeitgeist. Aber die durch französische 
Aufwiegler hervorgerufene Aufregung und einzelne Volkstnmulte in den Fabrikstädten 
waren ohne ernste Folgen. Eine große Versammlung und Demonstration der englischen 
Chartisten ging ruhig vorüber und ein Aufstand in Irland (§. 1067) wurde mit 
leichter Mühe unterdrückt. England sowohl als Belgien (wo eine Schaar französischer 
Emissäre, die dem Nachbarlande das republikanische Glück Frankreichs bringen wollten, 
bei ihrer Ankunft verhaftet wurde) gaben den Beweis, daß nur die Regierungen stark 
sind, die im Volke selbst ihre Wurzel und Kraft haben, daß dagegen Zwiespalt zwischen 
Obrigkeit und Unterthanen das Staatswesen schwächt und der Anarchie Thür und Thor 
öffnet. 
§. 1089. Italiens Wechselfälle (vgl. §. 1077). a. Volkserhebungen. 
In der Schweiz führte die Kunde von der Februarrevolution den Abfall des Kantons 
Neuenburg von Preußen und den vollständigen Sieg der Radicalen herbei; und in 
Italien erzeugte sie innere Erschütterungen und einen nationalen Krieg wider Oester¬ 
reich. — ©teilten beharrte bei feiner Unabhängigkeit von Neapel; es wies jeden 
Antrag einer Verständigung mit dem König Ferdinand hartnäckig zurück, besonders seit¬ 
dem dieser rachsüchtige Fürst eine zur Wiedererlangung früherer Rechte unternommene 
Erhebung der Bürgerschaft von Neapel durch feine Schweizergarde uud durch den entfef- 15i8^d 
feiten Pöbel unterdrücken ließ und, wie vor fünfzig Jahren die Königin Karoline, die wohl¬ 
habende Bevölkerung seiner Hauptstadt der Mord- und Raubsucht rasender Lazzaroni- 
horden preisgab. Das kraftlose, knechtische Volk von Neapel duldete das harte Joch des
	        
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