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9. Mäuschen.
Von Klara Hepner.
Ich glaube, die Zeiten, da der Ruf: „Eine Maus I" Schrecken und
Entsetzen verbreitete und ernsthafte Leute veranlaßte, auf Tische
und Bänke zu springen — ich glaube, diese Zeiten sind vorüber.
Wir haben doch endlich gelernt, jedes Geschöpf teilnahmsvoll zu
betrachten und seine Lebensäußerungen zu studieren; wir haben
erfahren, wie solches nicht nur unsern Blick schärft, unsere Er¬
kenntnisse weitet, sondern daß wir damit auch eine Fülle von
Freude in unser Leben tragen.
Unsere Hausmaus — wenn wir auch ihr Überhandnehmen
und etwaige Einwanderungen in die Speisekammer mit Katze und
Falle verhüten müssen — ist nun gar eines der liebenswürdigsten
Geschöpfe. Man sehe sich das kleine Graufellchen nur einmal
genau an: das feine, immer schnuppernde Häschen, die klugen
Augen, die zierlichen Füße I Schaut nur, wie sie possierlich auf
den Hinterbeinen steht, oder wie sie sich mit den Vorderbeinen
wäscht und putzt; denn reinlich ist unsere Hausmaus.
Ein besonderes Kapitel müßte man ihren Nestern widmen.
Es ist nicht zu sagen, welch merkwürdige und meist sehr schlau
gewählte Orte die Maus zum Nestbau auskundschaftet.
Bei meiner Freundin auf dem Lande hatte sich eine Mäuse¬
mutter in der Matratze eines selten benutzten Fremdenbettes wohn¬
lich eingerichtet. Eine andere hatte im Keller in einem liegenden
Einmachglas ihre Kinderstube aufgeschlagen. Im Garten fanden
wir ein Mäusenest mit sechs Jungen dicht unter dem Nest eines
Zaunkönigs. Mit großem Scharfblick hatte die Maus ihr Nest dar¬
unter gebaut, daß es wie unter einem Dach geborgen war.
Ganz verschmitzt aber hatte sich eine andere Mäusefamilie
eingerichtet: man hatte im März eine Bruthenne gesetzt und hatte,
um ihren Korb recht warm zu halten, ein paar Säcke darunter und
ringsherum gelegt. Die Henne hatte ein schönes Gefieder nach
Art der Brahmahühner und einen stattlichen Schwanz. Aber nach
einiger Zeit nahm dieser Schwanz ein ruppiges Aussehen an und
wurde zuletzt ein bloßer Stumpf. Man schüttelte den Kopf und
konnte sich nicht erklären, wie das zuging. Als aber die Küchlein
ausgebrütet waren und man sie mit der Mutter in ein frisches
Nest brachte, löste sich das Rätsel: Unter den Säcken hatte sich
eine Maus ein wunderschönes Nest gebaut, warm ausstaffiert mit