Full text: Haus und Vaterland I (Bd. 4)

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Universitätsgenossen ohne die geringste Bewegung vernommen hatte; 
denn hier war ein inniges Band zerrissen, wenn auch nur zwischen 
Mensch und Tier, dort war nie eins vorhanden gewesen. . . . 
Ganz jung, kaum vierzehntägig, brachte meine liebe Frau das teure 
Geschöpf am 18. August 18,58 ins Haus; ich war krank, und die ersten 
vier Wochen wohnte es in meiner Achselhöhle, wohin es sich der Wärme 
wegen verkroch. Es war wunderschön, braun, als ob es unmittelbar 
aus einer Kastanie hervorgesprungen wäre und ein Rosenblatt als 
Zunge im Mäulchen trüge, übrigens ein geborener Italiener und aus 
Triest nach Wien herübergekommen. Wunderbarerweise unterschied es 
gleich unter den Familienmitgliedern und Fremden; wir drei, meine 
Frau, das Kind und ich, konnten mit ihm machen, was wir wollten, 
es ließ sich alles gefallen, im Schlaf wie im Wachen; aber wenn eine 
der Mägde sich ihm näherte oder es gar berührte, wies es sie durch die 
possierlichsten Töne des Unwillens und des Zornes zurück, und wenn 
das nicht half, bediente es sich seiner Zähnchen. Mich hat es nur ein 
einziges Mal gebissen, und da war es in seinem Recht; es war gewohnt, 
wenn ich schrieb, über die Tinte zu laufen und zuweilen an meiner 
Feder zu zupfen, und geriet dabei einmal mit seinen Händchen in die 
Tinte. Emsig begann es sich zu reinigen; ich besorgte, die Tinte könnte 
ihm schaden, und tauchte es mehrmals ins Waschbecken; das mußte es 
natürlich für eine Feindseligkeit halten und sich zur Wehr setzen. Un¬ 
endlich rührend war es, wie es ein anderes Mal sein Händchen in 
seinem Käfig so verletzt hatte, daß es stark blutete. Es leckte das Blut 
ab und bespritzte dabei sein weißes Brüstchen; kaum bemerkte es den 
Fleck, so bekümmerte es sich nicht mehr um die gewiß schmerzliche 
Wunde, sondern beeiferte sich, den Fleck wieder wegzubringen. 
Größer geworden, nahm es, wie es mir des Morgens immer ins 
Bett gebracht wurde, regelmäßig an unserm Abendessen teil, kostete 
überall, speiste auf das zierlichste, trug in den ersten anderthalb Jahren, 
später nicht mehr, Nüsse und Zucker beiseite, schleppte oft eine ganze 
Semmel den Fenstervorhang hinauf und versteckte sie oben in der Brü¬ 
stung, glitt dann wieder herunter, knäuelte die Servietten in seinem 
Mäulchen zusammen, trug sie, eine nach der andern, in den Schoß 
meiner Frau, stürzte zuletzt sich selbst hinein und bedeckte sich damit. 
Dagegen sang es in der Frühe beim Kaffee so lieblich wie ein Vogel 
und modulierte die Stimme auf das mannigfaltigste; wenn das Stück 
Zucker, das es zu seiner eingeweichten Semmel erhielt, zu groß war, 
trug es den Rest selbst in den Zuckerkasten zurück und vergrub ihn unter 
dem andern Zucker. Es schlief später stets in dem grünen Bettvorhang
	        
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