— Iö3 —
der junge Lachs, das Herz weit und der Sinn schwankend und
berauscht worden wäre.
Nicht so der Jüngling. Der stand plötzlich vor dem Alten, faßte
den Meister schier despektierlich an den Schultern, sah ihn an mit
seinen strahlenden Augen und fing an zu sprechen: „Schaut die
Monne des Maien, Berg und Tal, Wald und Heiden mit Laub
und Gras so überflüssig gezieret, schaut den Anger mit edlen Blüm-
lein; schaut die kleinen Bienen hin und wieder fliegen und den Tau
aus den Blümlein saugen; schaut jedes Brünnlein sich ergießen und
die Mellen in kleinen Mirbeln schlagen, dazu die fröhlichen Böglein
singen, Menn ich das alles betrachte, lieber Meister, so kann ich
dann nicht lassen zu denken: Mie ohne Mangel, reich, schön, un¬
tadelig, wie vollkommen, wundersam und adelig sind, Herr Gott, deine
Merke! Und da fühl' ich es in meinen eigenen fänden und Füßen
sich so mächtig regen, daß es mich dünket, der Mensch soll auch sein
Handwerk treiben, und kommt mir dabei das Kämmerlein, von dem
Ihr geredet, so ängstlich vor, das Büchlein so staubig und all das
Grübeln und Missen so töricht und gebrechlich. — Ihr seid ein anderer
Mann, Meister Leonhard. Menn Ihr Euer fein Gewebe aufgespannt
habt und das Meberschifflein fliegt in Euren fänden hin und wieder
und Ihr habt mit vielen Künsten ein Blümlein nach dem andern
hincingewebt und spannt nun Euer Händewerk aus dem Rahmen
und schaut, wie glatt es fällt, so habt Ihr große Freude daran und
wißt, was Ihr gemacht habt; Ihr könnt's dem Käufer mit freiem
Mute feilstellen und habt Euch Euren Lohn sauer und redlich
verdient.
Nein, es ist kein eitel Ding um unser Handwerk. Und wenn
ich nur einen Stiefel fertig gemacht, wie's mich mein Kleister gelehrt,
und weiß, dort sitzt der Zug und dort der Stich, und hab' bei jedem
meine eigenen Gedanken gehabt und stell' ihn vor mich hin und
schaue ihn an, so lacht mir das Herz im Leibe; ich bin zufrieden
mit meiner Arbeit. Und ist an jedem Tage mein Merk fertig ge¬
worden, so kann ich auch an jedem Tage ruhig schlafen gehen; was
ich etwa sonst noch den Tag denke und dichte, das ist dann eine
Zugabe zu dem Notwendigen wie der Vogelfang und das schöne
Melter, wodurch uns noch eine besondere Freude bereitet wird. Ich
danke dem lieben Gott und will ihm zu Ehren auf meinen selbst¬
gemachten Schuhen einherwandern und zusehen, wie er es allenthalben
in Berg und Tal eingerichtet hat, Und was die Menschen dazu tun
und sagen, daß ich auch etwas zustande bringen und sagen kann."
13*