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der junge Lachs, das Herz weit und der Sinn schwankend und 
berauscht worden wäre. 
Nicht so der Jüngling. Der stand plötzlich vor dem Alten, faßte 
den Meister schier despektierlich an den Schultern, sah ihn an mit 
seinen strahlenden Augen und fing an zu sprechen: „Schaut die 
Monne des Maien, Berg und Tal, Wald und Heiden mit Laub 
und Gras so überflüssig gezieret, schaut den Anger mit edlen Blüm- 
lein; schaut die kleinen Bienen hin und wieder fliegen und den Tau 
aus den Blümlein saugen; schaut jedes Brünnlein sich ergießen und 
die Mellen in kleinen Mirbeln schlagen, dazu die fröhlichen Böglein 
singen, Menn ich das alles betrachte, lieber Meister, so kann ich 
dann nicht lassen zu denken: Mie ohne Mangel, reich, schön, un¬ 
tadelig, wie vollkommen, wundersam und adelig sind, Herr Gott, deine 
Merke! Und da fühl' ich es in meinen eigenen fänden und Füßen 
sich so mächtig regen, daß es mich dünket, der Mensch soll auch sein 
Handwerk treiben, und kommt mir dabei das Kämmerlein, von dem 
Ihr geredet, so ängstlich vor, das Büchlein so staubig und all das 
Grübeln und Missen so töricht und gebrechlich. — Ihr seid ein anderer 
Mann, Meister Leonhard. Menn Ihr Euer fein Gewebe aufgespannt 
habt und das Meberschifflein fliegt in Euren fänden hin und wieder 
und Ihr habt mit vielen Künsten ein Blümlein nach dem andern 
hincingewebt und spannt nun Euer Händewerk aus dem Rahmen 
und schaut, wie glatt es fällt, so habt Ihr große Freude daran und 
wißt, was Ihr gemacht habt; Ihr könnt's dem Käufer mit freiem 
Mute feilstellen und habt Euch Euren Lohn sauer und redlich 
verdient. 
Nein, es ist kein eitel Ding um unser Handwerk. Und wenn 
ich nur einen Stiefel fertig gemacht, wie's mich mein Kleister gelehrt, 
und weiß, dort sitzt der Zug und dort der Stich, und hab' bei jedem 
meine eigenen Gedanken gehabt und stell' ihn vor mich hin und 
schaue ihn an, so lacht mir das Herz im Leibe; ich bin zufrieden 
mit meiner Arbeit. Und ist an jedem Tage mein Merk fertig ge¬ 
worden, so kann ich auch an jedem Tage ruhig schlafen gehen; was 
ich etwa sonst noch den Tag denke und dichte, das ist dann eine 
Zugabe zu dem Notwendigen wie der Vogelfang und das schöne 
Melter, wodurch uns noch eine besondere Freude bereitet wird. Ich 
danke dem lieben Gott und will ihm zu Ehren auf meinen selbst¬ 
gemachten Schuhen einherwandern und zusehen, wie er es allenthalben 
in Berg und Tal eingerichtet hat, Und was die Menschen dazu tun 
und sagen, daß ich auch etwas zustande bringen und sagen kann." 
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