278 Geschichte der Griechen und Mazedoner. § 146.
er der Stagirite genannt. Sein riesenhafter Geist umfaßte das ganze
Wissen seiner Zeit. Er war der Erzieher Alexanders des Großen. Als
dieser seine Feldzüge durch Asien unternahm, war stets eine Abteilung
Soldaten beordert, seltne Pflanzen und Tiere für Aristoteles zu sammeln.
Aus feinen Schriften schöpften die griechischen Denker nach Alexanders
Zeiten, die Araber und die christlichen Gelehrten des Mittelalters. Lessing
macht in der Hamburgischen Dramaturgie auf die Bedeutung des Aristo-
teles aufmerksam.
6. Diogenes. Zu Korinth lebte ein eigentümlicher Mann mit Namen
Diogenes. Sein Hauptbestreben ging dahin, alle unnötigen Lebens-
bedürfnisse sich abzugewöhnen. Seine ganze Habe war ein Mantelsack,
ein Stab und ein hölzerner Becher, seine Wohnung eine Tonne. Als
er einst einen Knaben aus der hohlen Hand trinken sah, warf er seinen
Becher weg und sagte: „Von einem Knaben muß ich alter Mann lernen,
daß auch dieser Becher überflüssig ist." Bei seiner Anwesenheit in Korinth
ließ sich Alexander der Große zu diesem seltsamen Manne führen und
unterhielt sich lange mit ihm; denn seine Antworten waren sehr verständig.
Beim Weggehen sagte der König, Diogenes möchte sich eine Gnade aus-
bitten. Dieser antwortete: „Gehe mir ein wenig aus der Sonne, weiter
begehre ich nichts von dir!" Da rief der König aus: „Wahrlich, wenn
ich nicht Alexander wäre, wollte ich Diogenes sein!"
7. Griechische Dichter. Im 7. Jahrhundert lebten die lyrischen Dichter
Arion, Aleäus und die Dichterin Sappho. Alle drei stammen von
der Insel Lesbos. Der bedeutendste Lyriker war Pindar aus Theben;
er lebte im 5. Jahrhundert.
_ Der Fabeldichter Äsop ist ein Zeitgenosse des Krösus, an dessen
Hof er gastliche Aufnahme fand. Die großen Dramatiker Griechenlands
zieren das goldne Zeitalter Athens.
8. Verfall. Sklaverei. Wohnhaus. Familienleben. Tracht. Glück
macht übermütig; Übermut führt zum Falle. Diese Wahrheit zeigt sich nicht
nur im Leben des einzelnen Menschen, sondern auch im Leben der Völker.
In der alten Zeit war die Arbeit geehrt. König Odyssens schämte sich
nicht, selbst eine Bettstelle zn zimmern. Solon, der Gesetzgeber Athens,
war zugleich Kaufmann. Der glückliche Verlauf der Perserkriege machte
die Bevölkerung reich. Nun schämte man sich der Arbeit und überließ
sie den Sklaven. Die freien Bürger wurden Müßiggänger. Arbeit er-
hält die Körperkraft, ein Geschlecht von Müßiggängern geht zugrunde.
Die Sklaven nahmen überhand. Athen hatte deren 400000 bei 21000
freien Bürgern. Reiche Bürger kauften eine Menge Sklaven und ver¬
wendeten sie in Fabriken und Bergwerken. Nieias vermietete 1000 Sklaven
in die thrazischen Bergwerke. Die Landwirtschaft und das Handwerk lagen
in den Händen der Sklaven. Sklavenarbeit ist selten gut. Der Wohlstand
geht durch sie unter.