Full text: Haus und Vaterland I (Bd. 4 (5. Schulj.))

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Hier wurde der Sessel in seinen Erinnerungen unterbrochen: er 
sah, wie drüben vor der Giebelluke etwas hin- und hertanzte. Es waren 
ein paar Strümpfe, die an einem Waschseil dort zum Trocknen hingen. 
„Wir wissen auch etwas von der Großmutter," sagten die 
Strümpfe. „Erkennst du uns denn nicht? Die Großmutter hat uns 
ja gestrickt. Wir wissen viel! Wir wissen viel! Viel mehr wie du. 
Wir wissen alle Gedanken, die die Großmutter beim Stricken hatte; 
sie hat sie alle in uns hineingestrickt, und niemand weiß sie, außer uns. 
Aber wir sagen nichts, sagen nichts!" 
Vielleicht hätten die Strümpfe doch noch ein paar von den Gro߬ 
muttergedanken erzählt, wenn der Sessel sie recht schön darum ge¬ 
beten hätte; aber der horchte auf einmal ganz wo anders hin — nach 
der Bodentreppe. Dort hörte er nämlich Schritte — langsame, schlür¬ 
fende Schritte. 
Wer das nur sein mag, jetzt noch, am Abend? Es war auch schon 
so dunkel, daß man gar nicht recht sehen konnte, wer es war. Jetzt sah 
der Sessel aber doch-eine weiße Haube — eine Brille- 
Ach Gott, fast hätte der Sessel selber einen Sessel gebraucht, um 
sich daraufzusetzen, so erschrocken war er. Aber vor Freude! 
Das war ja die Großmutter, wirklich die Großmutter, nach der er 
sich so sehr gesehnt hatte. Da kam sie, gerade auf ihn zu. Und nun 
strich sie mit der Hand über seine Lehne, nun setzte sie sich ganz in ihn 
hinein. 
„Ach, hätten sie mir meinen alten Sessel doch gelassen! Wir sind 
halt doch zusammen alt geworden, wir gehören zusammen, er und ich, 
und er war ja auch noch so schön!" 
So flüsterten ihre alten, welken Lippen; dann lehnte sie den Kops 
zurück, und aus ihrem Auge floß eine Träne über die alte, runzlige 
Backe herab. Der alte Sessel aber zitterte innerlich vor Freude und 
Glück. Die Großmutter fand ihn noch schön genug! Und die Träne, 
die sie weinte, galt ihm. Das wußte er, und er war stolz auf sie, so 
stolz, wie er noch nie in seinem Leben gewesen war. 
5. Vergitz mir nie das Vaterhaus! 
von Sxrüngli. 
1. Vergiß mir nie das Vaterhaus, 
wo du auch seist im Weltgebraus! 
Da, wo die erste Liebe blühte, 
des Lebens Frühling dir erschien.
	        
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