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Dorothea betritt, nach ihrer Meinung als Magd, das Vaterhaus
Hermanns. Nach Aufklärung einiger Mißverständnisse geben die Eltern
ihren Segen und der Pfarrer weiht den Bund.
„Eilig faßte darauf der gute verständige Pfarrherr
erst des Vaters Hand und zog ihm vom Finger den Trauring,
(nicht so leicht; er war vom rundlichen Gliede gehalten)
nahm den Ring der Mutter darauf und verlobte die Kinder,
sprach: „Noch einmal sei der goldenen Reifen Bestimmung,
fest ein Band zu knüpfen, das völlig gleiche dem alten.
Dieser Jüngling ist tief von der Liebe zum Mädchen durchdrungen,
und das Mädchen gesteht, daß auch ihr der Jüngling erwünscht ist.
Also verlob' ich euch hier und fegn' euch künftigen Zeiten,
mit dem Willen der Eltern und mit dem Zeugnis des Freundes."
Aber der Bräutigam sprach mit edler männlicher Rührung:
„Desto fester sei, bei der allgemeinen Erschüttrung,
Dorothea, der Bund! Wir wollen halten und dauern,
fest uns halten und fest der schönen Güter Besitztum.
Denn der Mensch, der zur schwankenden Zeit auch schwankend gesinnt ist,
der vermehret das Übel und breitet es weiter und weiter,
aber wer fest auf dem Sinne beharrt, der bildet die Welt sich.
Nicht dem Deutschen geziemt es, die fürchterliche Bewegung
fortzuleiten und auch zu wanken hierhin und dorthin.
Dies ist unser! So laß uns sagen und so es behaupten!
Denn es werden noch stets die entschlossenen Völker gepriesen,
die für Gott und Gesetz, für Eltern, Weiber und Kinder
stritten und gegen den Feind zusammenstehend erlagen.
Du bist mein; und nun ist das Meine meiner als jemals.
Nicht mit Kummer will ich's bewahren und sorgend genießen,
sondern mit Mut und Kraft. Und drohen diesmal die Feinde,
oder künftig, so rüste mich selbst und reiche die Waffen.
Weiß ich durch dich nur versorgt das Haus und die liebenden Eltern,
o, so stellt sich die Brust dem Feinde sicher entgegen.
Und gedächte jeder wie ich, so stünde die Macht auf
gegen die Macht, und wir erfreuten uns alle des Friedens."
Wolsgang v. Goethe.
Ernst und Tews, Lesebuch f. M. III.
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