Full text: Haus und Welt (Bd. 3)

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Jetzt schiefst es aus dem Klippenrande. 
„Links müsst ihr steuern!“ hallt ein Schrei. 
Kieloben treibt das Boot zu Lande, 
und sicher fährt die Brigg vorbei. 
Ludwig Giesebreckt. 
6. Die Auswanderer. 
1. Ich kann den Blick nicht von 
euch wenden; 
ich muß euch anschau'n immerdar; 
wie reicht ihr mit geschäft'gen Händen 
dem Schiffer eure Habe dar! 
6. Bald zieren sie im fernen 
Westen 
des leichten Bretterhauses Wand; 
bald reicht sie müden, braunen Gästen, 
voll frischen Trankes, eure Hand. 
2. Ihr Männer, die ihr von dem 
Nacken 
die Körbe langt, mit Brot beschwert, 
das ihr aus deutschem Korn gebacken, 
geröstet habt auf deutschem Herd; 
3. Und ihr im Schmuck der langen 
Zöpfe, 
ihr Schwarzwaldmädchen, braun und 
schlank, 
wie sorgsam stellt ihr Krug' und Töpfe 
auf der Schaluppe grüne Bank. 
4. Das sind dieselben Töpf' und 
Krüge, 
oft an der Heimat Born ge¬ 
füllt; 
wenn am Missouri alles schwiege, 
sie malten euch der Heimat Bild: 
7. Es trinkt daraus der Tschero- 
kese, 
ermattet, von der Jagd bestaubt; 
nicht mehr von deutscher Rebenlese 
tragt ihr sie heim, mit Grün belaubt. 
8. O sprecht! Warum zogt ihr 
von dannen? 
Das Neckarthal hat Wein und Korn; 
der Schwarzwald steht voll finstrer 
Tannen, 
im Spessart klingt des Älplers Horn. 
9. Wie wird es in den fremden 
Wäldern 
euch nach der Heimatberge Grün, 
nach Deutschlands gelben Weizen¬ 
feldern, 
nach seinen Rebenhügeln zieh'n! 
5. Des Dorfes steingefaßte 
Quelle, 
zu der ihr schöpfend euch gebückt, 
des Herdes traute Feuerstelle, 
das Wandgesims, das sie geschmückt. 
10. Wie wird das Bild der alten 
Tage 
durch eure Träume glänzend weh'n! 
Gleich einer stillen, frommen Sage 
wird es euch vor der Seele steh'n. 
11. Der Bootsmann winkt!-Zieht hin in Frieden! 
Gott schütz' euch, Mann und Weib und Greis! 
Sei Freude eurer Brust beschieden 
und euren Feldern Reis und Mais. 
Ferdinand Freiligrath.
	        
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