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unendlichen Himmel und drunten das weite, weite Gewässer, und die Sonne
hat kein trocken Plätzchen, wo sie abends sich hinlegen kann, sondern geht
ins Meer zu Bett und steht aus dem Meere wieder auf.
Nun gefielen zwar anfänglich unsern zwei Landsleuten die Meeres¬
wunder nicht wenig; denn alles Neue lockt und reizt des Menschen Herz.
Aber wie es alle Tage dasselbe gab und kein Ende nehmen wollte, war
ihr Mut gar geringe. Sie saßen oft bei einander oben auf dem Schiffs¬
boden und sahen mit trübseligen Blicken hinunter in die See und hinaus,
wo sie hergekommen waren.
Also saßen sie einstmals auch wieder beisammen droben auf dem Ver¬
deck an einem Sonntagmorgen. Da sagte der eine: „Jetzt ist's daheim im
Dorf auch Sonntag; die Glocke ist neun, und es läutet zur Kirche, und
alle Menschen gehen hinein; unser Herr Pfarrer hat den Chorrock an, und
der Kantor sitzt an der Orgel." Da sagte der andere: „Ich hätlls mein
Lebtag nicht geglaubt, daß einem der Sonntag so weh thut und die Seele
drückt, wenn man ihn nicht hat." Und nun schwiegen beide und dachten
an ihre Heimat, und es stand ihnen ihr Dorf vor der Seele mit den blauen
Bergen weit hinaus, und die grünen Wälder und Felder, und hier und
dort wird geläutet, und über die Wiesen und durch die Gebüsche gehen die
Kirchleute, und nachher wird alles still draußen, nur die Hirten und die
Herden und die Vögel sind noch da, und die Sonne scheint friedlich.
Dies ging eins nach dem andern den beiden durch die Gedanken.
Aber unter ihnen rauschten und plätscherten die Wellen an den Seiten des
Schiffes. Und wie sie so daran in ihrem Herzen gedachten, ward's ihnen
inwendig heiß und heißer zum Weinen. Da stand der eine auf, ging an
seine Kiste, schloß sie auf und nahm eine Bibel und ein Gesangbuch heraus
und kam wieder zu fetnent Kameraden. Und er las die Epistel und das
Evangelium desselben Sonntags vor, und darauf betete der andere den
Glauben. Und danach schlugen sie das Gesangbuch auf und huben an,
mit lauter Stimme zu singen: „Wer nur den lieben Gott läßt walten und
hoffet auf ihn allezeit." — Es waren aber noch andere Auswanderer aus
Deutschland mit auf dem Schiffe. Wie die das deutsche Kirchenlied hören
mitten auf dem Meer, geht ihnen das Herz auf, und sie kommen herzu und
stellen sich im Kreise um unsere beiden Landsleute, entblößeu ihr Haupt
und singen mit:
„Wer nur den lieben Gott läßt walten
und hoffet auf ihn allezeit,
den wird er wunderlich erhalten
in allem Kreuz und Traurigkeit."