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Und führt zum Kreuzweg dich die Spur,
und weißt du nicht den rechten Pfad,
fo frage beim Gewiffeu au,
es kaun ja deutsch ■— ihm folge nur.
Wo ist der Weg zum Leicheuftein? —
Ach, frage nicht! Geh, wo du willst;
zur stillen Gruft im kühlen Grund
führt jeder Weg, kannst sicher fein.
In Gottesfurcht nur wandle hier!
Das rat' ich dir, so viel ich kann.
Ein heimlich Pförtchen hat das Grab,
und manches zeigt es jenseits dir.
93. Der Wirt muß vorauf. Von einer Landwirtin.
(Moser.)
Du wunderst dich, daß meine Leute noch keinen Kaffee trinken und über¬
haupt so ordentlich find? O, mein liebes Kind! ich kann, was ich will,
und der Henker sollte mir den Dienstboten holen, der mir ein einziges Mal
über die Schnur hiebe. Ordnung im Haushalt ist keine Hexerei, und ich
habe ein fo sicheres Mittel, meine Leute vom Kaffee abzuhalten, daß ich
alles in der Welt darauf wetten will, sie trinken ihn nicht. Das Schnackigste
aber ist, daß ich dieses Mittel von meiner Viehmagd gelernt habe. Diese
wollte, wie ich meinen Mann geheiratet hatte und wir unsere Pachtung
antraten, nicht früh genug aufstehen, und wie ich sie darüber zur Rede stellete,
gab sie mir zur Antwort: „By us moet der Wert vorup!" Dies schaltete
mir durch die Ohren, und, auf einmal erleuchtet, fühlte ich die ganze Wahr¬
heit, daß alles in der Haushaltung durch einen guten Vorgang gezwungen
werden müsse, und daß es eine Thorheit sei, sich um acht Uhr ans dem
Bette zum Kaffee wecken zu lassen und von dem Gesinde zu fordern, daß
cs um drei Uhr an der Arbeit sein und sich nicht auch eine verstohlne
Freude machen sollte. Wie es den andern Morgen drei schlug, sagte ich
daher zu meinem Manne: „Der Wirt muß vorauf!" und so wie er dieses
einigemal gethan hatte, war alles Gesinde so geschwind bei der Hand, daß
ich seit der Zeit nicht nötig gehabt habe, ein einziges Mal mit der Vieh¬
magd über ihren langen Schlaf zu schmälen. Anfangs fies es uns etwas
hart, so früh die warmen Federn zu verlassen. Wie wir es aber erst eine
Zeit lang gethan hatten, war es uns nicht möglich, lange über die gewohnte
Zeit darin zu verweilen, und wenn ein Feiertag uns eine Stunde später