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vielen Leuten auf dem Lande und in der Stadt nicht, sie dünken sich was 
besseres. Aber ehrlich bedacht, ist und bleibt es eine weise Anordnung. 
Oder sind die armen Burschen dazu da, daß sie sich für die Reichen tot 
schießen lassen? Der Staat darf das nicht zugeben. Ich ließe, wenn 
ich zu befehlen hätte, keinen gesunden Menschen heiraten, der nicht Soldat 
gewesen ist nub noch bei der Landwehr steht. Der schönste Schmuck eines 
Mannes ist, daß er mit den Waffen umzugehen weiß, ititb daß er im 
Notfall sein Land zu verteidigen versteht. 
Es ist mir lieb, lieber Vater, das ich Euch alles so schreiben 
darf, und daß ich's auch kann. Meine Kameraden auf der Stube 
haben sich einen Briefsteller gekauft, und daraus schreiben sie die Briefe 
ab. Ist das nicht eine Schande? Für was hat einem Gott seine 
eigenen fünf Finger und Augen uitb Hirn gegeben? Ich müßte mich 
schämen, aus einem fremden Buche abzuschreiben. Wie kann ein 
anderer wissen, was ich zu schreiben habe? Habe ich recht oder nicht, 
lieber Vater? Da fällt mir ein: Sagen könnte ich doch nicht „lieber 
Vater", ich weiß nicht, warum; aber schreiben kann ich's. Wenn man 
so weit getrennt ist, geht einem das Herz auf, und man schämt sich 
nicht. Wenn ich die Schur habe, lese ich auch oft Bücher, schöne Räuber¬ 
geschichten, und die Geschichte vom Kaiser Napoleon habe ich auch vom 
Feldwebel gelesen. Es war doch ein ganzer Mann, der Napoleon, aber 
recht ist ihm auch geschehen, ich meine, er hat's zu weit getrieben. Ich 
wollte, ich hätt' ihn auch einmal gesehen. Nicht wahr, Ihr habt ihn oft 
gesehen? Wir haben von dem Kaiser Napoleon doch etwas Gutes übrig 
behalten, und das ist unsre Landwehr. Mein Feldwebel sieht dem 
Napoleon ganz ähnlich, ich glaube, wenn's Krieg gäbe, der würde ein 
großer Mann, er könnte ein Marschall Sonlt werden. 
Im Soldatenleben lernt sich der Mensch allein helfen. Ich koche 
und flicke und nähe und pntze die Stube ans wie ein Frauenzimmer. 
Es kommt mir oft ganz absonderlich vor, so ein großes Haus voll lauter 
Männer! Es ist gut, daß es nicht Zehn Jahre währt. 
Am letzten Dienstag war ich auf Wache, draußen aus dem Harden¬ 
berg. Ich bin gerade von 12 bis 2 Uhr ans den Posten gekommen. Es 
war mir ganz eigen zu Mut, als ich so allein hoch oben auf dem Berge 
da stand. Es war eine stockdunkle Nacht, kein Stern am Himmel, und 
die ganze Welt war wie tot; nur dort neben zog sich der Rhein wie ein 
blasser Streif hin, und man hörte sein Rauschen, von dem man bei Tag 
gar keinen Laut vernimmt. Mir ist es vorgekommen, als ob die ganze 
Welt ansgestorben und ich allein da oben übrig geblieben wäre — man
	        
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