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erwiderte: „Gnädigster Herr, so habt Ihr auch nicht so viel Geld, 
dass Ihr mir meine Mühle abkaufen könnt. Sie ist mir nicht feil.“ 
Der König that zwar ein Gebot, auch das zweite und dritte; aber 
der Nachbar blieb bei seiner Rede. „Sie ist mir nicht feil. Wie ich 
darin geboren bin,“ sagte er, „so will ich darin sterben, und wie sie 
mir von meinen Vätern erhalten worden ist, so sollen sie meine Nach¬ 
kommen von mir erhalten und auf ihr den Segen ihrer Vorfahren 
ererben.“ Da nahm der König eine ernsthaftere Sprache an: „Wisst 
Ihr auch, guter Mann, dass ich gar nicht nötig habe, viel Worte zu 
machen? Ich lasse Eure Mühle taxieren und breche sie ab. Nehmt 
alsdann das Geld oder nehmt es nicht!“ Da lächelte der unerschrockene 
Mann, der Müller, und erwiderte dem König: „Gut gesagt, aller- 
gnädigster Herr, wenn nur das Kammergericht in Berlin nicht wäre.“ 
Nämlich dass er es wolle auf einen richterlichen Ausspruch ankommen 
lassen. Der König war ein gerechter Herr und konnte überaus 
gnädig sein, also dass ihm die Herzhaftigkeit und Freimütigkeit einer 
Rede nicht missfällig war, sondern wohlgefiel. Denn er liess von dieser 
Zeit an den Müller unangefochten und unterhielt fortwährend mit ihm 
eine friedliche Nachbarschaft. Der geneigte Leser aber darf schon 
ein wenig Respekt haben vor einem solchen Nachbar und noch mehr 
vor einem solchen Herrn Nachbar. 
50. Ein guter Sohn, der im Glücke sich seiner ge¬ 
ringen Eltern nicht schämt. 
(Pustkuchen-Glanzow.) 
In dem Regimente des berühmten, von Friedrich dem Grossen 
hoch geehrten Generals von Zielen stand auch ein Rittmeister, mit 
Namen Kurzhagen. Er war klug, tapfer und hatte ein kindliches 
Gemüt. Seine Eltern waren arme Landleute im Mecklenburgischen. 
Mit dem Verdienstorden rückte er nach Beendigung des siebenjährigen 
Krieges in Parchim ein. 
Die Eltern waren von ihrem Dörfchen nach der Stadt gekommen, 
um ihren Sohn nach Jahren wieder zu sehen, und erwarteten ihn 
auf dem Markte. Wie er sie erkannte, sprang er rasch vom Pferde 
und umarmte sie unter Freudenthränen. Bald darauf mussten sie zu 
ihm ziehen und assen allezeit mit an seinem Tische, auch wenn er 
vornehme Gäste hatte. 
Einst spottete ein Offizier darüber, dass Bauern bei einem Ritt¬ 
meister zu Tische sässen. „Wie sollte ich nicht die ersten V ohlthäter
	        
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