Full text: Für das dritte, vierte und fünfte Schuljahr (Teil 2)

30 
Hans gefiel das Ding auch gar nicht so übel. Mutig und ge¬ 
wandt, wie er war, schlüpfte er bald in den höchsten Häusern oben zu 
den Schornsteinen heraus. Er wußte nichts von Schwindel, machte 
allerlei possierliche Faxen mit seinem Besen, und sein rußiges Gesicht 
lachte hinein in den blauen Himmel und hinab über die Stadt. Dabei 
sang er wie ein Vogel auf dem Wipfel des Baumes. Da oben war's 
ihm so wohl, daß es ihm fast leid tat, wenn er wieder heruntermußte 
zu den Menschen auf den Erdboden. Er wünschte oft, auch so leben 
zu können wie der alte Türmer dort auf dem Turme der Stadtkirche, 
der hoch oben seine behagliche Behausung hatte. Das müßte ein fröh¬ 
liches und freies Leben seinl Morgens, mittags und abends einen 
frommen Choral blasen und den Einwohnern das Zeichen geben, wenn 
Feuersgefahr in der Stadt oder deren Nachbarschaft war: das dünkte 
ihm ein herrliches und zugleich nützliches Leben. 
Wenn unser Hans dann wieder in den Straßen umherging, war 
er wieder der Hans Lustig. Wie er so dahinschlenderte, mit Leiter, 
Besen und Kratzeisen auf der Schulter, schwarz berußt, barfüßig in 
den Pantoffeln, die der Vater aus einem Paar alter Stiefel geschnitten 
hatte, da schaute ihm stets die Helle Gutmütigkeit aus den Augen. 
Wenn ein Bund Stroh oder ein Stück Holz von einem Wagen herab¬ 
fiel, so lief er wohl Straßen weit nach, um es dem Fuhrmamie wiederzu¬ 
bringen. Die Erwachsenen hatten den Hans Lustig lieb und die Kinder 
auch, trotzdem er jetzt Schornsteinfeger war. Wollte man die Kinder 
mit dem „schwarzen Mann" einschüchtern, so lachten sie; sie wußten ja, daß 
der schwarze Mann niemand anders war als der Hans Lustig, der keinem 
was zuleide tat, sondern allzeit freundlich und gut war Manche Kinder 
hatten sogar den Mut, ihm eine Patschhand in seine berußte Hand zu geben. 
4. So wuchs der Hans Lustig immer mehr heran und wurde ein 
tüchtiger Schornsteinfeger. Er konnte klettern wie eine Katze. Das 
zeigte er bei dem großen Brande, als das Rathaus mitten in der Nacht 
plötzlich in Flammen stand. Der alte Türmer hatte versäumt, das 
Feuerzeichen zu geben, und so stand das altertümliche Gebäude mit 
seinen wichtigen Papieren bereits in Flammen, als man das Unglück 
gewahr wurde. Der alte Türmer war aber unschuldig, denn in der¬ 
selben Nacht war er gestorben. Hans war einer der ersten auf der 
Brandstätte, und die Gefahr nicht achtend, stürzte er in das Gebäude 
und rettete einen Schrank, der die wichtigsten Schriftstücke enthielt. 
Am Tage darauf ließ ihn der Rat der Stadt vor sich kommen. 
Der älteste Ratsherr lobte ihn, dankte ihm im Namen der Stadt 
und fragte, welche Belohnung er wünsche. Hans antwortete ohne 
langes Besinnen, man möge seinem Vater die erledigte Stelle aU
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.