Full text: Geschichte der Hellenen in neuen und alten Darstellungen (1)

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Geschichte der Hellenen. 
Auskehlungen versehen. Deu Hauptschmuck bildeten die weltberühmten beiden 
Giebelfelder, 11—12 Fuß hoch, mit ihren zahlreichen kolossalen Statuen, 
von Phidias und seinen Schülern ausgeführt; ferner die 92 Metopen- 
(Zwischenseld-)bilder, 4 Fuß hoch und in härterm Stil gehalten; und endlich 
die Friesbilder, 3 l/s Fuß hoch, welche um die äußere Waud der Zelle hernm- 
liefen und die Festzüge der Panathenäen darstellten. Überall waren Farben¬ 
tone und Vergoldungen, sowie Wand- und Deckengemälde angebracht. Im 
Grunde der Cella befand sich die berühmte Kolossalstatue der Athene, aus 
Elfenbein und Gold von Phidias gefertigt, 47 Fuß hoch. Der Wert des auf 
sie verwendeten Goldes betrug allein etwa 21/2 Mill. Jio. Der Gesamteindruck, 
der den Beschmier des Parthenon beschlich, hatte etwas Zauberhaftes und Be- 
zauberudes. Man bebte nicht staunend zurück, wie beim Anblick der orientalischen, 
assyrischen nnd ägyptischen Bankolosse, man war entzückt vor Bewunderung. 
Selbst das Massige erschien hier zum Anmutigen und Gefälligen, zum wahr¬ 
haft Edlen und Schönen verklärt; uud das Viele in der Zusammensetzung zu 
einem idealen Ganzen von eigentümlicher Individualität verschmolzen. Denn 
der Eindruck war einerseits nicht der einer lastenden Schwere, sondern einer 
schwebenden, lebenatmenden Leichtigkeit; und andererseits nicht der einer An¬ 
einanderreihung oder Aufeinanderschichtung von Gliedern, sondern einer ein¬ 
heitlichen Geschlossenheit, eines Jneinandergeschmiegtseins aller Teile. Dieser 
Eindruck beruhte aus der anmutigen Gestaltung der Säulen, die sich schwellend 
verjüngen; auf den gefälligen Dekorationen; auf der Abnahme des Säulen- 
durchmeffers und der Säulenabstände in den erhöhtereit Säulengruppen, 
wodurch eine belebte und wohlthuende Wirkung erzielt wurde. Noch mehr 
aber daraus, daß alle großen Horizontallinien, auswärts vou denen des 
Stufenbaues bis hinauf zu denen des Gebälkes, nicht in gradliniger Starrheit, 
sondern in leise emporgewolbter Kurve gebildet waren. An den Schmalseiten 
ist die Krümmung verhältnismäßig stärker als an den Langseiten, an den Stufen 
stärker als au deu Gebälken. Kraft dieser weichen und mannigfach nuancierten 
Schwellung der Horizontallinien wurde dem Tempelgebäude ein lebensvoller 
Schwung, ein poetischer Hauch verliehen, und insofern nach dieser Richtung 
hin das höchste Ideal des Schönen erreicht. Auch die Vertikallinien aufwärts 
waren leise nach innen geneigt, dergestalt, daß das Ganze wie von einem 
pyramidalen Auslug umwoben war. Diese Neigung nach dem Innern, dieses 
Rückstreben gegen die Masse des Gebüudekörpers zeigte sich sowohl in den 
Sänlenstellnngen wie in den äußeren großen Flächen des Gebälkes; wogegen 
den kleineren Platten, als eingefügten Gliedern, in belebendem Wechsel wieder 
eine gewisse Selbständigkeit, nämlich eine entgegengesetzte, eine leise vorwärts 
gewandte Neigung gegeben ward. Wie beim Parthenon, so wurde die aus¬ 
wärts gerichtete Schwellung der großen Horizontallinien auch bei den Propyläen 
angewandt. So ward durch die feinste ästhetische Berechnung der Gesetze der
	        
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