Full text: [Teil 3 = Kl. 6, [Schülerbd.]] (Teil 3 = Kl. 6, [Schülerbd.])

Zumal das Erntefest feierte das Königspaar gerne mit den Guts¬ 
leuten. Die zogen mit ihrer Dorfmusik durchs Dorf und brachten die 
Erntekrone zum Schlöffe. Hier trat dann, wenn sie im Hofe ankamen, 
der König heraus unter die Tür und hörte die Ansprache an, die an 
ihn als den Gutsherrn von Paretz gehalten wurde. Nun winkte er 
denen, die die Krone trugen, näher zu treten, sie ins Haus zu bringen 
und der Königin zu überreichen. War das geschehen, so begann auf 
dem Hofe der Tanz, erst nach der Musik der Dorfbläser, dann nach 
der etwas besseren einer Regimentskapelle. Mitten unter den tanzenden 
Knechten und Mägden sah man den König und die Königin und ihr 
Gefolge sich auch im Reigen drehen. Später sah man die Königin nach 
der Wiese gehen, auf der die Buden, wie bei einem Jahrmarkts- oder 
Schützenfeste, aufgeschlagen waren. Sie trat zu denen, welche Kuchen 
und Backwerk feilhielten, und kaufte ihnen ihre Waren in ganzen Körben 
ab. Mit ihrem Lächeln, so huldvoll und gütig, wandte sie sich an die 
Umstehenden und lud sie ein, aus ihren Körben zuzulangen, sich's 
schmecken zu lassen und fürliebzunehmen, sie gebe, so gut sie's habe. 
„Frau Königin, Frau Königin, mir auch was!" schrien dann die Buben 
und die Mädchen um sie her. Mit denen ging sie zur Lotto- oder zur, 
Würfelbude, kaufte ihnen eine Karte oder einen Wurf und freute sich mit 
denen, die gewannen. So einfach und herzlich stand sie unter den 
Leuten. 
Aber im Kreise ihrer Kinder war es den königlichen Eltern doch 
am wohlsten. Wir haben noch Bilder aus jener Zeit, welche die 
königliche Familie darstellen. Da sitzt die Königin am Fenster, ihre 
älteste Tochter, Prinzeß Charlotte, schmiegt sich an ihre Knie, 
Mutter und Tochter wenden ihre Augen dem Könige zu, der, den 
Kronprinzen an seiner linken Hand, zu ihnen herantritt und ihnen 
etwas zu sagen scheint, während hinter ihnen die beiden Prinzen 
Wilhelm und Karl ihre Blondköpfe über ein auseinandergefaltetes 
Blatt beugen. 
Wie sie selbst in ihren Gewohnheiten einfach und gegen andere 
von Herzen gütig gesinnt waren, so wollten sie auch ihre Kinder erziehen. 
„Meine Kinder sollen Menschenfreunde werden," sagte die Königin und 
hat damit wohl gemeint, sie sollen nicht hochmütig werden, weil sie des 
Königs Kinder sind, noch ihre Untertanen geringschätzen und verachten, 
sondern sollen sie lieben und ehren, sich ihrer Freude mit freuen und 
ihr Leid mit tragen helfen, damit sie rechte Fürsten und wahre Freunde 
ihres Volkes werden.
	        
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