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Vas Geheimnis der Mischung.
48. Das Geheimnis der Mjchung.
Ludwig Ganghofer.
I.
In einer Ecke des weiten Saales eines Kaffeehauses faßen
an einem kleinen Tisch zwei Männer. Der eine von ihnen, der
in seinem Rußern den vermögenden Mann verriet, trug schon das
Grau des Rlters über der hohen Stirn. Seine stahlgrauen Rügen
hafteten mit gespannt forschenden Blicken auf den heftig erregten,
wie in Fieberröte brennenden Zügen seines Gegenübers. Das war
ein Mann von etwa fünfunddreißig Jahren, eine stramme, kräftig
entwickelte Gestalt. Ein weiches Gemüt und die feste Entschlossen¬
heit des erprobten Rrbeiters sprachen in seltsamer Mischung aus
seinem Gesicht, das von braunen, struppigen Maaren umrahmt war.
So saßen sich die beiden wortlos gegenüber. Endlich brach der
Rltere das Schweigen: „Run, Herr Schaller? Missen Sie denn
gar keine Rntwort zu finden?"
wie erschrocken fuhr der Rngeredete mit dem Kopf in die höhe.
„Nein, nein und nein! Ich tu's nicht — und wenn Sie mir eine
Million anbieten — ich tu's nicht! Das war mein erstes Wort,
und das ist auch mein letztes!"
„So seien Sie doch vernünftig, Schaller und — sprechen Sie
ein wenig leiser. Ich streite ja nicht gegen Ihre Gewissenhaftig¬
keit — im Gegenteil, sie gefällt mir —, aber praktisch sein ist auch
eine schöne Sache. Und übrigens, ich will ja nicht verlangen, daß
Sie mir das Geheimnis gradweg verkaufen sollen. Gott bewahre!
Mir ist es nicht um das zu tun, was Sie feit acht Tagen wissen,
sondern um Sie selbst, lieber Schaller. Sie sind ein kluger Kopf
und ein tüchtiger Rrbeiter. Solche Leute kann ich brauchen in
meiner Fabrik, sie sind mir Gold wert. Seien Sie vernünftig,
kommen Sie zu mir, ich biete Ihnen die Inspektorstelle in meiner
Fabrik an. Ich gebe Ihnen das Doppelte von dem, was Sie bei
Sepdelmann & To. beziehen, und mache mit Ihnen einen zehn¬
jährigen Vertrag mit jährlich steigendem Gehalt . . ."
Ruf dem Gesicht des jungen Mannes wechselten Nöte und
Blässe. Er mußte jedes dieser langsam und eindringlich gesprochenen
Worte vernommen haben, und dennoch hingen seine Blicke wie
geistesverloren an den drei elfenbeinernen Kugeln, die auf dem
nächsten Billardtisch inmitten des grünen Tuches lagen. Und da
kam es ihm vor, als wären die beiden weißen Kugeln die zarten,
lieben Gesichter seiner zwei kleinen Mädchen, und die rote Kugel