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Deutsches Dichterbuch.
Hörst du die Käfer summen nicht?
Hörst du das Glas nicht klirren,
wenn sie, betäubt von Duft und Licht,
hart an die Scheiben schwirren?
Die Sonnenstrahlen stehlen sich
behende durch Blätter und Ranken
und necken auf deinem Lager dich
mit blendendem Schweben und Schwanken.
Die Nachtigall ist heiser fast,
so lang' hat sie gesungen,
und weil du sie gehört nicht hast,
ist sie vom Baum gesprungen.
Da schlug ich mit dem leeren Zweig
an deine Fensterscheiben:
Heraus, heraus in des Frühlings Reich!
Er wird nicht lange mehr bleiben!"
4. Wanderschaft.
Das Wandern ist des Müllers Lust,
das Wandern!
Das muß ein schlechter Müller sein,
dem niemals fiel das Wandern ein,
das Wandern!
Vom Wasser haben wir's gelernt,
vom Wasser!
Das hat nicht Rast bei Tag und Nacht,
ist stets auf Wanderschaft bedacht,
das Wasser.
Das sehn wir auch den Rädern ab,
den Rädern!
Die gar nicht gerne stille stehn,
die sich mein Tag nicht müde drehn,
die Räder.
Die Steine selbst, so schwer sie sind,
die Steine!
Sie tanzen mit den muntern Neih'n
und wollen gar noch schneller sein,
die Steine.
O Wandern, Wandern, meine Lust,
o Wandern!
Herr Meister und Frau Meisterin,
laßt mich in Frieden weiter zichn
und wandern.
5. Wohin?
Ich hört' ein Bächlein rauschen
wohl aus dem Felsenquell,
hinab zum Tale rauschen
so frisch und wunderhell.
Ich weiß nicht, wie mir wurde
und wer den Rat mir gab;
ich mußte gleich hinunter
mit meinem Wanderstab.
Hinunter und immer weiter,
und immer dem Bache nach,
und immer frischer rauschte
und immer heller der Vach.
Ist das denn meine Straße?
O Bächlein, sprich, wohin?
Du hast mit deinem Rauschen
mir ganz berauscht den Sinn.
Was sag' ich denn vom Rauschen?
Das kann kein Rauschen sein:
Es singen wohl die Nixen
dort unten ihren Reihn.
Laß singen. Gesell, laß rauschen,
und wandre fröhlich nach!
Es gehn ja Mühlenräder
in jedem klaren Bach.