Full text: [[Teil 2], Bd. 4 = 8. und 9. Schulj., [Schülerbd.]] ([Teil 2], Bd. 4 = 8. und 9. Schulj., [Schülerbd.])

VII. Die deutsche Dichtung. 
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„Lieber Gott, wie es stürmt und der Schnee in den Gründen sich anhäuft! 
Armer, wer jetzt auf Reisen hindurch muß, ferne der Einkehr, 
auch wer, Weib zu erwärmen und Kind, auswandert nach Reisholz, 
hungerig oft und zerlumpt! Kein Mensch wohl jagte bei solchem 
Wetter den Lund aus der Türe, wer seines Viehs sich erbarmet! 
Dennoch kommt mein Söhnchen, das Fest mit dem Vater zu feiern! 
Was er wollte, das wollt' er von Kind auf. Gar zu besonders 
wühlt mir das Lerz! And seht, wie die Kah' auf dem Tritte des Tisches 
schnurrt und das Pfötchen sich leckt und Bart und Nacken sich putzet! 
Das bedeutet ja Fremde nach aller Vernünftigen Arteil!" 
Sprach's und trat an den Spiegel, die festliche Laube zu ordnen, 
welche der Vater verschob, mit dem Kuß ausgleichend den Zwiespalt; 
denn er leerte das Glas auf die Enkelin, sie auf den Enkel. 
„Nicht ganz schäme sich meiner die Frau im modischen Kopfzeug!" 
dachte sie leis' im Lerzen und lächelte selber der Torheit. 
Neben dem schlummernden Greis, an der andern Ecke des Tisches, 
deckte sie jetzo ein Tuch von seingemodeltem Drillich, 
stellete dann die Tassen mit zitternden Länden in Ordnung; 
auch die blecherne Dos' und darin großklumpigen Zucker 
trug sie hervor aus dem Schrank und scheuchte die sumsenden Fliegen, 
die ihr Mann mit der Klappe verschont zur Wintergesellschaft; 
auch dem Gesims enthob sie ein paar Tonpfeifen mit Posen, 
grün und rot, und legte Tabak auf den zinnernen Teller. 
Als sie drinnen nunmehr den Empfang der Kinder bereitet, 
ging sie hinaus vorsichtig, damit nicht knarrte der Drücker. 
Aus der Gesindestube darauf vom rummelnden Spulrad 
rief sie, die Tür halb öffnend, Marie, die geschäftige Lausmagd, 
welche gehaspeltes Garn von der Wind' abspulte zum Weben 
hastiges Schwungs, von dem Weber gemahnt und eigenem Ehrgeiz. 
-Weiser ertönte der Ruf, und gehemmt war plötzlich der Amschwung. 
«Flink, lebendige Kohlen, Marie, aus dem Ofen gescharret, 
dicht an die Platte der Wand, die den Lehnstuhl wärmet im Rücken, 
daß ich frisch — denn er schmeckt viel kräftiger — brenne den Kaffee! 
Äeize mit Kien dann wieder und Torf und büchenem Stammholz, 
ohne Geräusch, daß nicht aus dem Schlaf aufwache der Vater! 
Sinkt das Feuer in Glut, dann schiebe den knorrigen Klotz nach, 
der in die Nacht fortglimme, dem leidigen Froste zur Abwehr! 
Siebzigjährige sind nicht Fröstlinge, wenn sie im Sommer
	        
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