fullscreen: Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands

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97. Die Witwe von Husum. 
Es war im Winter, und das Eis stand. Da beschlossen die 
Husumer, ein groszes Fest zu feiern; sie schlugen Zelte auf, und 
alt und jung, die ganze Stadt, versammelte sich drauszen. Die 
einen liefen Schlittschuhe, die andern fuhren im Schlitten, und in 
den Zelten erscholl die Musik, und Tänzer und Tänzerinnen schwenk¬ 
ten sich herum, und die Alten saszen an den Tischen und tranken 
eins. So verging der ganze Tag, und der helle Mond stieg auf; 
aber der Jubel schien nun erst recht anzufangen. 
Nur ein altes Mütterchen war von allen Leuten in der Stadt 
zurückgeblieben. Sie war krank und gebrechlich und konnte ihre 
Füsze nicht mehr gebrauchen; aber da ihr Häuschen auf dem Deiche 
stand, konnte sie von ihrem Bette aus auf’s Eis hinaussehen und 
die Freude sich betrachten. Wie es nun gegen den Abend kam, 
da gewahrte sie, indem sie so auf die See hinaussah, im Westen ein 
kleines weiszes Wölkchen, das eben über dem fernen Horizont auf¬ 
stieg. Gleich befiel sie eine unendliche Angst; sie war mit ihrem 
Manne zur See gewesen und verstand sich recht auf Wind und 
Wetter. Sie rechnete nach : „In einer kleinen Stunde wird die 
Flut da sein, dann ein Sturm losbrechen, und alle sind verloren !" 
Da rief und jammerte sie, so laut als sie konnte; aber niemand war 
in ihrem Hause, und die Nachbarn waren alle auf dem Eise; nie¬ 
mand hörte sie. Immer gröszer ward unterdessen die Wolke und 
allmählich immer schwärzer, noch einige Minuten, und die Flut 
muszte da sein, der Sturm losbrechen. Da rafft sie all ihr bischen 
Kraft zusammen und kriecht auf Händen und Füszen aus dem Bette 
zum Ofen; glücklich findet sie noch einen Brand, schleudert ihn 
in s Stroh ihres Bettes und eilt, so schnell sie kann, hinaus, sich in 
Sicherheit zu bringen. Das Häuschen stand nun augenblicklich in 
hellen Flammen, und wie der Feuerschein vom Eise aus gesehen ward, 
stürzte alles in wilder Hast dem Strande zu. Schon sprang der 
Wind auf und fegte den Staub auf dem Eise vor ihnen her ; der 
Himmel ward dunkel; das Eis fing an zu knarren und zu schwanken, 
der Wind wuchs zum Sturm, und als die Letzten den Fusz auf’s 
feste Land setzten, brach die Decke, und die Flut wogte an den 
Strand. So rettete die arme Frau die ganze Stadt und gab ihr Hab 
und Gut daran zu deren Heil und Rettung. 
98. Wärterinuhr. 
1. Der Mond, der scheint, 
das Kindlein weint, 
Die Glock’ schlägt z w ö 1 f. 
Dasz Gott doch allen Kranken 
2. Gott alles weisz. 
Das Mäuslein beisz’. 
Die Glock’ schlägt ein; 
der Traum spielt auf dem Kissen 
helft 
dein.
	        
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