Full text: [Teil 4, [Schülerbd.]] (Teil 4, [Schülerbd.])

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6. Ihr Kön’ge, sonder Zagen 
schlaft sanft, ich halte Wacht; 
ein Glanz aus alten Tagen 
erleuchtet mir die Nacht. 
Und kommt die Früh’ im blut’gen Kleid: 
Gott grüß’ dich, grimmer Schwerterstreit! 
Dann magst du, Tod, zum Reigen uns geigen! 
E. Qeibel. 
160. Gudruns Klage. 
1. Nun geht in grauer Frühe 
der scharfe Märzenwind, 
und meiner Qual und Mühe 
ein neuer Tag beginnt. 
Ich wall’ hinab zum Strande 
durch Reif und Dornen hin, 
zu waschen die Gewände 
der grimmen Königin. 
2. Das Meer ist tief und herbe; 
doch tiefer ist die Pein, 
von Freund und Heimatserbe 
allzeit geschieden sein; 
doch herber ist’s, zu dienen 
in fremder Mägde Schar, 
und hat mir einst geschienen 
die güldne Krön’ im Haar. 
3. Mir ward kein guter Morgen, 
seit ich dem Feind verfiel; 
mein’ Speis’ und Trank sind 
Sorgen, 
und Kummer mein Gespiel. 
Doch berg’ ich meine Tränen 
in stolzer Einsamkeit; 
am Strand den wilden Schwänen 
allein sing’ ich mein Leid. 
4. Kein Dräuen soll mir beugen 
den hochgemuten Sinn! 
Ausduldend will ich zeugen, 
von welchem Stamm ich bin. 
Und so sie hold gebaren, 
wie Spinnweb acht’ ich’s nur; 
ich will getreu bewahren 
mein Herz und meinen Schwur. 
5. 0 Ortwin, trauter Bruder, 
o Herwig, Buhle wert, 
was rauscht nicht euer Ruder, 
was klingt nicht euer Schwert? 
Umsonst zur Meereswüste 
hinspäh’ ich jede Stund’; 
doch naht sich dieser Küste 
kein Wimpel, das mir kund. 
6. Ich weiß es: nicht vergessen 
habt ihr der armen Maid; 
doch ist nur kurz gemessen 
dem steten Gram die Zeit. 
Wohl kommt ihr einst, zu sühnen, 
zu retten, ach, zu spät, 
wenn schon der Sand der Dünen 
um meinen Hügel weht! 
7. Es dröhnt mit dumpfem 
Schlage 
die Brandung in mein Wort; 
der Sturm zerreißt die Klage 
und trägt beschwingt sie fort. 
0, möcht’er brausend schweben 
und geben euch Bericht: 
„Wohl lass’ ich hier das Leben, 
die Treue lass’ ich nicht!“ 
E. Geibel.
	        
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